Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)

Fertighausbaracken, davor eine Herde seltsam aussehender, abgemagerter Kühe, die an den Büschen knabberten, alles beruhigend weit weg von der westlichen Welt. Es roch sogar anders. Am liebsten wäre er gehüpft vor Freude, aus schierem Übermut in die Luft gesprungen. Er war frei. Frei wie ein Vogel. Er war davongekommen.
    Irgendwo auf der Reise hatte er eine englische Zeitung gekauft und gelesen, wie Donovan und Tartaglia in letzter Minute gerettet worden waren. Das war der einzige Wermutstropfen, und schon bei dem Gedanken daran wurde er wütend. Er hätte sie mit Benzin übergießen sollen, verdammt. Aber es hatte keinen Sinn, sich deswegen graue Haare wachsen zu lassen. Er war weit weg, und das Foto von ihm, das in der Zeitung abgedruckt war, war ein Reinfall. Kein Mensch würde ihn erkennen, so wie er jetzt aussah, braun gebrannt, mit Dreitagebart und kurzem, blond gefärbtem Haar. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit David Beckham, nur dass der eine andere Augenfarbe hatte. Wie auch immer, hier gab es ohnehin keine englischen Zeitungen.
    Wieder sah er Sam Donovans kleines Gesicht vor sich, mit Lippenstift und Rouge, wie sie parfümiert und bereit für den Tod in seinen Armen gelegen hatte, als er sie die Treppe hinuntertrug, um sie neben dem Bullen abzulegen. Er hatte sie in eines der seidenen Lieblingskleider seiner Großmutter gesteckt, aber sie war so dürr und winzig, dass es weit aufklaffte, und er hatte ihr den Gürtel zweimal um die Hüfte wickeln müssen, damit sie ordentlich aussah. Sam. Der einzige Makel in einem ansonsten glorreichen Kapitel. Er dachte daran, wie sie vorher ausgesehen hatte, als sie mit halb geschlossenen Augen neben ihm auf dem Sofa gehangen und gelallt hatte; sie hatte versucht, einen klaren Kopf zu behalten, und war kläglich gescheitert. »Warum?«, hatte sie gefragt. Warum? Warum? Warum? Die Frage hing noch immer in der Luft und nagte an ihm, schrie ihm ins Gesicht wie seine verdammte Großmutter. Auch wenn er die Alte schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hatte, ihre Stimme war noch immer da, jammerte und zeterte ihm ins Ohr wie eine verdammte Hexe. Er hatte seither viel darüber nachgedacht und nach einer Antwort gesucht, um die alte Schachtel ein für alle Male zum Schweigen zu bringen und sie, genau wie die anderen, zurück in ihr Grab zu schicken. Warum tun die Leute das, was sie tun? Warum? Weil sie es wollen. Darum, blöde Kuh, blöde Hexe. Weil sie es können. So einfach ist das.
    Die kleine Sam. Die einzige, die ihm entwischt war. Die einzige. Der verwichste Bulle war ihm egal. Der war nicht wichtig. Es ging um Sam, auf sie kam es an, und er musste ständig an sie denken, sie ließ ihn einfach nicht in Frieden. Nur aus Gier hatte er sich auf sie eingelassen, aus reiner Gier, und er hatte Strafe verdient, einen festen, harten Hieb auf die Finger. Nach Yolanda hätte er Schluss machen sollen. Aber dann war die kleine Schlampe auf der Bildfläche erschienen und hatte danach gelechzt, hatte sich ihm auf dem Servierteller dargeboten, das erbärmliche Flittchen. Da wäre es doch ungehobelt gewesen, nein zu sagen, auch wenn er einen hohen Preis dafür gezahlt hatte. Immerhin hatten sie nichts gegen ihn in der Hand, was ihn mit den anderen in Verbindung bringen könnte. Keine Spuren. Gar nichts. Trotzdem war es ärgerlich, dass sie überlebt hatte. Sie war eine offene Rechnung. Er wurde sie einfach nicht mehr los, ihr Gesicht, ihre Stimme, ihren Geruch. Dieser widerliche Gardeniengestank aus der Parfumflasche seiner Großmutter. Sam verhöhnte ihn, sie lachte ihm ins Gesicht. Die einzige, die entkommen war. Aber nicht mehr lange. Während er die kurze Rollbahn überquerte, schwor er sich, ihr noch einmal einen Besuch abzustatten. Eines nicht zu fernen Tages. Die kleine Schlampe sollte den Tag verfluchen, an dem sie ihren ersten polnischen Wodka getrunken hatte.

Die Originalausgabe erschien 2007
unter dem Titel »Die With Me«
bei Quercus, London
     
    Verlagsgruppe Random House
     
     
    1. Auflage
Deutsche Erstveröffentlichung August 2008
    Copyright © der Originalausgabe 2007
by Elena Forbes
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2008
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
    Redaktion: Eva Wagner
AB · Herstellung: Str.
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    eISBN : 978-3-641-02450-5
     
    www.goldmann-verlag.de
    www.randomhouse.de