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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks
Autoren: Yvonne Winkler
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hier nicht mehr gebraucht. Es läuft doch alles.«
    »Das sehe ich anders. Vieles ginge auch besser. Allein der Garten könnte etwas mehr Aufmerksamkeit vertragen. Und von den zehn ungebügelten Hemden, die seit zwei Wochen unten im Wäschekeller liegen, will ich jetzt nicht sprechen. Das ist …«
    Julia verdrehte die Augen. »Fang nicht wieder damit an.«
    »Ich sage ja, das ist ein anderes Thema. Ich wollte nur deinen Eindruck widerlegen, dass du hier nicht mehr gebraucht wirst.«
    »So meinte ich das auch nicht. Ich weiß nicht, ob du dir vorstellen kannst, was für ein blödes Gefühl es ist, herumzusitzen und nichts zu tun, abhängig zu sein …«
    »Ach, daher weht der Wind! Du möchtest mehr Geld!«, fiel er ihr ins Wort. Er klang beleidigt. »Bisher hatte ich den Eindruck, dass ich für unsere – meist sind es deine Ansprüche – genug verdiene.«
    Julia runzelte unwillig die Stirn. »Es geht mir doch nicht ums Geld. Ich will etwas Sinnvolles tun. Etwas erreichen, eine Herausforderung annehmen. Für mich.«
    »Selbstverwirklichung?« Marco spitzte die Lippen. »Und das kann dir nicht auch eine ehrenamtliche Tätigkeit bieten? In der Gemeinde gibt es viel zu tun – Krankenbesuche, Kindergruppen, Frauentreffen. Oder du engagierst dich im Umweltschutz oder in der Politik. Warum muss es ausgerechnet ein Medizinstudium sein?«
    »Sag mal, hörst du mir eigentlich nicht zu? Es war schon immer mein Traum, Ärztin zu werden!«
    »Natürlich. Auch ich habe als Junge mit einem Arztkoffer gespielt. Aber das ist doch etwas anderes, als diese anspruchsvolle, zeitraubende Hochschulausbildung.«
    Julia war einen Augenblick sprachlos. Wie konnte er ihren innigsten Wunsch auf eine solch banale Ebene reduzieren? »Was willst du damit sagen? Traust du mir das Studium etwa nicht zu?«
    »Mein Schatz, ich zweifele keineswegs an deiner Intelligenz, was du mir anscheinend unterstellst«, sagte er in dem Tonfall, in dem er den Kindern etwas zu erklären pflegte. »Aber Medizin ist eine andere Kategorie als die
Zeit
oder den
Spiegel
zu lesen. Das heißt pauken. Das bedeutet vor allem auch Naturwissenschaften.« Er hob seine Hand und zählte sie an den Fingern ab. »Biologie. Chemie. Physik. Biochemie. Physiologie. Und wenn ich mich recht erinnere, hast du damals deinen Numerus clausus nicht geschafft, weil du bereits im Abitur mit eben diesen Fächern beträchtliche Schwierigkeiten hattest.«
    »Also traust du es mir tatsächlich nicht zu!« Sie war fassungslos. »Du hältst mich für dumm!«
    Marco atmete tief ein, schaute zur Decke und rang die Hände. »Nein, das ist nicht wahr«, sagte er betont langsam. Er schien sich nur noch mit Mühe beherrschen zu können. »Ich halte dich nicht für dumm, und du bist es auch nicht. Aber …«, er hob den Zeigefinger. »Dir wird der Umgang mit den Naturwissenschaften nicht leichtfallen. Das bedeutet, dass du dafür mehr lernen musst als andere. Und darin sehe ich ein Problem.«
    »Wieso ist das ein Problem?«
    »Weil du nicht mehr zwanzig bist, Julia. Du lebst nicht mehr allein für dich – oder nur mit mir – in einem luftleeren Raum. Du hast Familie. Du hast Kinder. Ein Haus.« Sie wollte etwas sagen, doch er schnitt ihr das Wort mit einer Handbewegung ab. »Ich befürchte, dass Miriam, Simon und Jonas darunter leiden werden. Und dass es hier noch schlimmer aussieht.«
    »Jetzt fängst du wieder damit an!« Julia wurde wütend. Ihr war bewusst, dass sie keine perfekte Hausfrau war. In ihrem Haushalt regierten eher Chaos und Spontaneität als Ordnung und Planung. In weniger frequentierten Ecken des Hauses jagten sich die Staubmäuse, und die Bügelwäsche wartete stets so lange auf sie, bis ihr der Stapel bis zur Hüfte reichte. Sie wusste auch, dass Marco sich genau darüber regelmäßig ärgerte. Wenn sie sich stritten, ging es meist um mangelnde Sauberkeit oder Unordnung. Er war geradezu penibel. Das kannte er so von zu Hause. »Natürlich müssten wir in manchen Punkten Abstriche machen und uns anders organisieren.«
    »Es ist lustig, wenn ausgerechnet du von
Organisation
sprichst.«
    Sie versuchte, diesen Einwurf zu ignorieren. »Ich glaube auch nicht, dass die Kinder darunter leiden würden, wenn ich studiere.«
    »Und wem willst du die nötige Zeit abringen?«
    Aha, jetzt kommen wir der Sache näher,
dachte Julia. »Sag doch gleich, dass
du
befürchtest, vernachlässigt zu werden.
Du
möchtest, dass ich zu Hause sitze und dich abends strahlend und willig in unserem
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