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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks
Autoren: Yvonne Winkler
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blitzblanken Heim empfange.«
    »Ist das etwa unmoralisch?«
    »Nein. Aber ich bin nicht deine Mutter.«
    »Lass sie aus dem Spiel. Sie hat damit überhaupt nichts zu tun.«
    »Abgesehen davon, dass sie das Bild einer perfekten Ehe- und Hausfrau abgibt.«
    »Wie deine Mutter übrigens auch. Bei den beiden könnte man wenigstens vom Fußboden essen. Das würde ich hier nur unter schwerer Folter wagen.«
    »Du bist unsachlich und schweifst vom Thema ab.«
    »Du etwa nicht?« Marco holte tief Luft und stand auf. »Ich glaube, die Diskussion hat sich gerade festgefahren. Wir sollten zu einem späteren Zeitpunkt darüber reden. Außerdem bin ich müde. Der Tag war grässlich, und dieses Gespräch hat dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt. Ich gehe jetzt ins Bett. Kommst du auch?«
    Julia schüttelte den Kopf. »Nein, noch nicht.«
    »Gute Nacht.«
    Er beugte sich zu ihr hinunter und gab ihr einen flüchtigen Kuss, den sie ebenso oberflächlich erwiderte. Und das, obwohl sie innerlich kochte, und ihr eigentlich mehr nach einer Ohrfeige zumute war.
    Sie lauschte seinen Schritten auf der Treppe, dem Rauschen des Wassers im Bad. Wenig später hörte sie, wie sich die Schlafzimmertür hinter ihm schloss. Julia saß regungslos auf dem Sofa. Ihre Wut verrauchte allmählich, zurück blieb Enttäuschung. Sie hätte es nie für möglich gehalten, dass Marco ihren Wunsch zu studieren nicht nachvollziehen konnte. Anscheinend spürte er nicht, wie unglücklich sie war und dass die Rolle der treusorgenden Hausfrau nicht zu ihr passte. Oder er fühlte sich von ihr überrumpelt, übergangen und reagierte deshalb so abweisend. In diesem Fall half ein in zwölf Ehejahren erprobter Weg: Hartnäckig bleiben, das Thema immer wieder ansprechen und vor allem nicht aufgeben.
    Mit deutlich mehr Zuversicht stand Julia auf und ging ebenfalls ins Bett.

2
    November 2008
    J ulia startete den Wagen und schaltete die Scheibenwischer ein. Hinter ihr auf dem Rücksitz kuschelte Jonas daumenlutschend mit seinem Lieblingsstofftier. Miriam blickte auf der anderen Seite verträumt in den Nebel hinaus. Simon in der Mitte wippte ungeduldig mit dem Fuß. Er hatte es eilig. Je früher er die Schule erreichte, umso länger konnte er mit seinen Freunden vor Unterrichtsbeginn auf dem Pausenhof Fußball spielen. Siebenjährigen Jungs war das Wetter egal, solange sie einen Ball hatten. Selbst ein grauer, nasskalter Hamburger Novembertag schreckte sie nicht ab.
    »Mama, mach das Radio lauter, das ist mein Lieblingssong!«
    »Och nee, doch nicht das bescheuerte Teil! Davon wird mir immer schlecht!« Miriam sang absichtlich falsch mit.
    Julia achtete kaum auf die Kinder. Sie versuchte eine Lücke zu erwischen, um sich in den Straßenverkehr einzufädeln, während ihre Gedanken um den gestrigen Abend kreisten. Sie hatte sich mit Marco gestritten. Schon wieder, in den vergangenen zwei Wochen täglich. Allmählich bekamen sie Übung darin, sich gegenseitig misszuverstehen und auf die Palme zu bringen. Es war keine Frage, dass sie ihren Mann liebte. Und er sie. Trotzdem waren sie gestern aufeinander losgegangen wie zwei Kampffische. Der Anlass war nichts Gravierendes gewesen, lediglich eine kaputte Glühbirne. Und doch hatte ihre Auseinandersetzung immer größere Kreise gezogen, bis sie sich gegenseitig Dinge an den Kopf geworfen hatten, die zutiefst verletzten. Marco hatte sich im Bett von einer Seite auf die andere gewälzt. Heute Morgen war er bleich und ohne Frühstück zur Arbeit gefahren. Auch sie hatte kaum geschlafen. Es war nicht die erste durchwachte Nacht. Selbst nach dem schwarzen Tee, der ihren Kreislauf sonst in Schwung brachte, fühlte sie sich noch immer wie gerädert. Ihre Augen brannten vor Müdigkeit, und hinter ihrer Stirn pochten die Kopfschmerzen im Rhythmus ihrer Herzfrequenz. Keine starken Schmerzen, aber in ihrer Regelmäßigkeit zermürbend wie ein tropfender Wasserhahn. Seit Tagen war es dasselbe.
    »Mama, sag doch etwas! Mir wird übel!« Die allmählich immer schriller werdende Stimme ihrer Tochter bohrte sich in Julias Bewusstsein. Die Kinder waren fast ebenso gereizt wie ihre Eltern.
    »Immer muss die ihren Willen kriegen«, schimpfte Simon. »Ich mag den Song!«
    Julia bremste den Wagen. Die Ampel vor ihr war rot. »Okay, ihr beiden«, sagte sie mit einem Blick in den Rückspiegel. »Können wir uns bitte darauf einigen, dass wir diesmal den Song ohne Kommentare hören – es sind schließlich nur wenige Minuten, du wirst das schon
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