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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks
Autoren: Yvonne Winkler
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zugelächelt? Oder eher tröstend?
Spökenkiekerei
nannte Oma Lotte dieses Herumrätseln. Recht hatte sie. Es waren sinnlose Spekulationen.
    Um sich abzulenken, begann Julia, in Simons Zimmer die Plastikfiguren mitsamt den Burgen, Schiffen und Autos in ihre Kartons zu sortieren. Hier herrschte ein heilloses Durcheinander. In der Burg kämpften Feuerwehrleute und Taucher gegen Ritter und einen weißen Hai, und die Piraten bevölkerten das Feuerwehrauto. Der arme Piratenkapitän war seiner Würde durch den Feuerwehrhelm auf seinem Kopf beraubt. Vielleicht sah er deshalb so grimmig aus. Während sie nach seinem Hut suchte, wurde ihr klar, dass es sich nicht lohnte, sich weiter Gedanken über Marcos subtile Botschaften zu machen. »Bis heute Abend« war seine Standard-Abschiedsfloskel. Das sagte er jeden Morgen zu ihr – mal in Eile, mal ganz entspannt.
    Den ganzen Tag über trieb Julia eine fiebrige Unruhe um, die sich noch steigerte, weil Mittwoch war und die Universität für Nachfragen nicht erreichbar war. Sie hätte ihre Freundin Susanne anrufen können. Sie hatte vor einem Jahr ein Germanistikstudium begonnen. Bestimmt könnte sie ihr ein paar Tipps geben und einige Fragen beantworten. Aber sie ließ es bleiben. Erst wollte sie mit Marco alles klären.
    Natürlich kam er ausgerechnet an diesem Abend eine Stunde später als sonst. Die Kinder schienen ihre innere Anspannung zu spüren. Sie tobten durch das Haus, stritten sich wegen Kleinigkeiten, waren überdreht und müde. Trotzdem ließen sie sich nicht von ihr ins Bett bringen, sondern bestanden darauf, auf ihren Vater zu warten.
    Und als Julia und Marco nach einer Ewigkeit endlich ihr Wohnzimmer für sich allein hatten, setzte er sich mit der Tageszeitung in seinen Lieblingssessel und begann zu lesen. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht zu platzen. Wenn sie innerlich so aufgewühlt war, war sie immer ganz gereizt. »Wir wollten noch etwas besprechen«, sagte sie nach einer Weile.
    »Hm, was?« Die Zeitung raschelte, und ein müder Blick traf sie. »Was hast du gesagt? Entschuldige, Schatz. Ich bin nicht ganz bei mir. Der Tag heute war fürchterlich.«
    Aha,
dachte sie.
Während ich mich nur entspannt habe.
»Wir wollten noch über mein Studium reden.«
    »Ach so.«
    »Hast du dir schon Gedanken gemacht?«
    Er seufzte und faltete die Zeitung umständlich zusammen. Er wirkte genervt, als hätte er ausgerechnet heute keine Lust, mit ihr über das Thema zu reden. Aber er kannte sie. Er hätte wissen müssen, dass sie dieses Gespräch nicht länger als nötig hinauszögern würde.
    »Und? Was ist deine Meinung?«
    »Ganz ehrlich? Ich finde, du solltest es bleibenlassen.«
    Julia glaubte, sich verhört zu haben. »Wie bitte?«
    »Ausgerechnet Medizin. Die Vorlesungen, Seminare, Praktika, die Lernerei für die Prüfungen und nebenbei die Kinder und das Haus. Warum willst du dir diesen ganzen Stress antun?«
    »Weil ich es gerne möchte. Mein Leben lang wollte ich Ärztin werden, schon als kleines Mädchen. Und jetzt hätte ich endlich die Möglichkeit, mir diesen Traum zu erfüllen.«
    Marco lächelte. »Es liegt nicht zufällig daran, dass Susanne letztes Jahr mit einem Studium begonnen hat?«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Ich habe den Eindruck, dass du deine Freundin nachahmen willst. Aber glaube mir, mein Schatz, das hast du wahrlich nicht nötig.«
    Julia schüttelte den Kopf. »Es geht doch hier nicht um Susanne, sondern um mich!«
    »Okay. Dann erkläre mir bitte, weshalb
du
studieren willst.«
    Julia versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Sie war wütend auf Marco, wütend auf sich. In Situationen wie dieser drohte ihr Temperament immer mit ihr durchzugehen. Doch es würde ihr nicht weiterhelfen, wenn sie jetzt einfach drauflosredete. Sie musste ihn mit ruhigen, klaren Argumenten überzeugen. Und sie musste geduldig sein. Nicht gerade ihre größte Tugend. »Ich habe die Jahre genossen, in denen die Kinder klein waren und ich mich den ganzen Tag um sie kümmern konnte – die Spaziergänge zum Spielplatz, die Basteleien, das Vorlesen. Aber seit Jonas in den Kindergarten geht, ist das anders. Miriam und Simon sind ständig unterwegs. Jonas bastelt in der Kita so viel, dass er nachmittags keine Lust mehr dazu hat. Und wenn er auf den Spielplatz will, klingelt er bei Paul. Ich sitze hier und warte darauf, dass alle wieder nach Hause kommen oder ich die Kinder bei ihren Freunden abholen kann. Das macht mich unzufrieden, unausgeglichen. Im Grunde werde ich
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