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Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender

Titel: Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender
Autoren: Berte Bratt
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Mit Zahnschmerzen fing es an
    Als ich fünf Jahre alt war, standen meine Berufspläne fest.
    Ich war im Zirkus gewesen, was an sich ein ganz großes Ereignis war. Denn die elterlichen Finanzen erlaubten keine solche Sprünge. Ich wurde aber von der Mutter einer Freundin eingeladen, und in den nächsten vierzehn Tagen war der Zirkus mein einziges Gesprächsthema. Weit und breit verkündete ich, daß ich Kunstreiterin werden wollte. Ich stellte mir vor, auf einem galoppierenden Pferd zu stehen und durch brennende Ringe zu springen.
    Als ich mir aber kurz danach einen Finger verbrannte und laut heulend zu meiner Mutter kam, änderte ich schlagartig meine Pläne. Man konnte sich bestimmt bei dem Durch-brennende-Ringe-Springen verbrennen. Und das würde sicherlich noch mehr weh tun als der Finger!
    Dann besuchte ich meine älteste Schwester Beate, die zu dem Zeitpunkt Haushälterin bei Familie Rywig in Oslo war. Dort vollbrachte ich eine Schandtat, indem ich dem fünfjährigen
    Rywigsohn Hans Jörgen seine ganze goldene Lockenpracht abschnitt. Ich fand es wunderbar und hegte eine Zeitlang den einzigen Wunsch, Friseuse zu werden.
    Als ich zur Schule kam, wurden neue Wünsche in mir wach. Wir lernten Stricken, jedes Kind bekam ein Knäuel weißes Baumwollgarn und zwei Stricknadeln ausgehändigt. Aber die Lehrerin hatte ein großes Knäuel ganz rotes, dickes Garn und zwei lange Nadeln, womit sie uns die Anfangsgründe der edlen Strickkunst demonstrierte. Die feuerrote Wolle faszinierte mich, und ich beschloß, Lehrerin zu werden, damit ich auch mit roter Wolle stricken durfte.
    Als aber das Gebilde fertig war, das man mit viel Nachsicht und Wohlwollen als den Topflappen betrachten konnte, den das festgelegte Pensum von mir verlangte, war mein Strickinteresse auf einen absoluten Nullpunkt herabgesunken. Und dort befindet es sich noch. Es war mir klargeworden, daß ich als Handarbeitslehrerin vollkommen fehl am Platz sein würde.
    Die Jahre vergingen, und die täglichen Pflichten und das tägliche Spielen nahmen mich derart in Anspruch, daß ich wenig an meine Zukunft und den einmal zu ergreifenden Beruf dachte.
    Ich hatte das fragwürdige Vergnügen, an derselben Schule Schülerin zu sein, wo mein Vater Rektor war.
    Meine sieben älteren Geschwister hatten dasselbe Schicksal gehabt. Eine Zeitlang hatte mein armer Vater vier seiner acht Sprößlinge auf einmal in seiner Schule und war bestimmt jedesmal heilfroh, wenn er einen davon ins Gymnasium rüberlotsen konnte.
    Ich bin die jüngste der Hettringschen Kinderschar, und ich war komischerweise diejenige, die am liebsten zur Schule ging. Das Lernen machte mir wirklich Spaß, und mein Vater nickte wohlwollend, wenn ich meine Zeugnisse nach Hause brachte.
    Ach ja, richtig, ich müßte wohl eigentlich erzählen, wer ich bin. Also, mein Name ist Heidi Hettring. Ich habe zwei Schwestern und fünf Brüder. Meine älteste Schwester, Beate, ist siebzehn Jahre älter als ich und trug anfangs viel zu meiner Erziehung bei. Die Klapse, die ich in meiner frühen Kindheit abbekam - und verdiente -, wurden mir hauptsächlich von Beates schwesterlicher Hand verabreicht. Beate hatte nicht die Engelsgeduld meiner Mutter, und wenn sie Mutti vertrat, wurden die Erziehungsmethoden sehr vereinfacht.
    Seit Jahren ist Beate mit Doktor Gerhard Rywig verheiratet.
    Außer einem Mann bekam sie bei der Gelegenheit vier große Kinder: Bernt, die Zwillinge Sonja und Senta und dann Hans Jörgen, dem ich damals seine blonden Locken abschnitt.
    So kam es, daß ich mit sechs Jahren Tante wurde. Mein ältester Neffe war damals vierzehn, die Zwillinge zwölf und Hans Jörgen, der kahlköpfige, gleichaltrig mit mir. Ich verlangte energisch von den vieren mit „Tante Heidi“ angeredet zu werden, was sie auch eine Zeitlang taten. Nach einem weiteren Jahr wurde ich wirklich Tante, denn dann bekam Beate ihr erstes Kind, den kleinen Stefan, und ein paar Jahre später wurde Annettchen geboren. Die beiden Kleinen haben mich nie „Tante“ tituliert!
    Als Kind und Teenager habe ich oft Beate besucht, und diese Besuche waren die ganz großen Ereignisse in meinem Dasein. Im Hause Rywig war es immer lustig, wir verstanden uns großartig, und ich freute mich wie ein Schneekönig (oder eine Königin), wenn wieder eine Osloreise fällig war!
    Dann wurde es ruhiger im Hause Rywig. Bernt heiratete schon als Student - jetzt ist er längst Arzt -, und die Zwillinge heirateten auch. Senta, einen Studenten der Zahnmedizin. Sie
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