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Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender

Titel: Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender
Autoren: Berte Bratt
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daß er ganz und gar zu Mutti paßt!
    Was die beiden uns Kindern gegeben haben, läßt sich gar nicht aufzählen. Aber vielleicht kann ich es zu einer einzigen, großen Tatsache zusammenfassen:    Sie haben uns ein unsagbar
    harmonisches, glückliches Elternhaus gegeben. Sie haben für uns Kinder immer Zeit gehabt, haben unsere Fragen beantwortet, uns gute Ratschläge gegeben, uns zugehört, wenn wir Sorgen und Probleme hatten. Kurz gesagt, sie waren immer für uns da!
    Dieses sonnige Glück hat Beate mit sich gebracht, in ihr eigenes Heim, zu ihrer großen Familie. Deswegen lieben ihre vier Stiefkinder sie abgöttisch, und ihr Mann - na, von dem braucht man überhaupt nicht zu reden!
    Mutti machte noch einmal ihren alten Wintermantel zurecht. Ein neuer wäre längst fällig, aber Mutti lächelte nur: „Ach, laß man, ein Jahr hält er noch!“
    Vati gab Nachhilfestunden. Eigentlich hatte er damit aufgehört, aber jetzt nahm er wieder ein paar hilfsbedürftige Schüler an.
    Unser Sonntagskuchen wurde mit drei Eiern statt mit fünf gebacken. Als es im Herbst kalt wurde, wurde im Eßzimmer nicht geheizt. Wir aßen in der Küche, sonntags am Ecktisch im Wohnzimmer.
    Kurz gesagt: Es wurde gespart. Niemand beklagte sich, meine Eltern verloren kein Wort darüber, warum so eisern gespart wurde. Ich wußte es schon: Sie hatten alles darangesetzt, dem Nesthäkchen das teure Studium zu ermöglichen!
    Das bescheidene Leben und das dauernde Sparen waren mir nichts Neues. Aber diesmal empfand ich es bewußt, und allmählich meldete sich mein Gewissen, immer deutlicher und aufdringlicher, bis ich eines Tages platzte.
    „Ach, Mutti“, sagte ich, während ich ihr beim Abwasch mit dem Abtrocknen half. „Laß doch das olle Sparen! Kauf dir endlich den Wintermantel, dann machen wir es mit meinem Studium anders. Wenn ich das Abitur unter Dach und Fach habe, muß ich eben zusehen, daß ich eine bezahlte Arbeit finde, und dann werde ich selbst das Geld, jedenfalls für ein paar Semester zusammenkratzen!“
    „Sag mal“, antwortete Mutti mit einem kleinen Lächeln, „glaubst du vielleicht, daß es ein Opfer ist, wenn wir dir so gern das Studium ermöglichen wollen? Fällt es dir nie ein, daß es für Eltern ein ganz großes Glück ist, einem Kind eine gute Ausbildung zu verschaffen?“ „Ich höre immer ,einem’! Ich bin das achte Kind, verehrte Frau Hettring! Übrigens ist es mir schleierhaft, warum du mich überhaupt auf die Welt gebracht hast! Du müßtest doch mit sieben reichlich genug haben! Ja, verstehe mich bitte richtig, ich bin schon heilfroh, daß ich nun einmal da bin - aber ich war wohl eigentlich ein Druckfehler, nicht wahr?“
    „Liebe Tochter“, sprach Mutti feierlich. „Du warst kein Druckfehler, wie du dich auszudrücken beliebst. Du warst ein Wunschkind, das achte Wunschkind, daß du es weißt! Und wenn du noch einmal so einen Unsinn andeutest, dann vergesse ich dein ehrwürdiges Alter und lege dich übers Knie, wie ich es nicht getan habe, seit du sechs Jahre alt warst!“
    „Sieben“, korrigierte ich. „Ich war im ersten Schuljahr und hatte der Lehrerin die Zunge rausgestreckt!“
    „Ach ja, richtig!“ lächelte Mutti. „Dann mußt du mir allerdings versprechen, daß du das deinen Professoren gegenüber unterläßt!“ Dann kam der Tag, an dem ich in der Oberprima war. Den Sommer hatte ich bei Beate verbracht, hatte ihr im Haushalt geholfen und sogar ein kleines Gehalt bekommen. Das Geld wurde auf das Sparbuch eingezahlt, das Vati für mich angelegt hatte.
    Wie gern hätte ich mehr Geld verdient, aber das konnte ich nun nicht! Die Schule nahm mich ganz und gar in Anspruch. Mutti behauptete auch, daß sie ohne meine Hilfe im Haushalt sehr gut zurechtkomme, ich solle schön deutsche Grammatik pauken - für den Fall, daß ich in Deutschland studieren würde - und mich um die Mathematik kümmern, die leider viel zu oft meine Gesamtjahresnote von einem „Ausgezeichnet“ auf ein „Sehr gut“ runtergedrückt hatte. Und ich wußte ja, daß es hoffnungslos sein würde, an der zahnärztlichen Hochschule in Oslo aufgenommen zu werden, wenn man nicht ein „Ausgezeichnet“ hatte.
    Also büffelte ich! Manchmal dachte ich an die vielen tausend Kronen, die mein Studium kosten würde, und hatte dabei wirklich ein schlechtes Gewissen, aber wenn Mutti und Vati es wollten.
    Sie hatten es ja auch meinem Bruder Nico ermöglicht, Tierarzt zu werden, und Jan war Diplomingenieur. Jens und Rolf waren beide Lehrer
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