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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman
Autoren: Franka Rubus
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Auftakt: Am Anfang der Nacht
    Letztendlich ist der Tod doch genauso ein Witz wie das Leben.
    Babel Tower Shopping Center, Kenneth, Missouri
     
    Das Licht zahlloser Scheinwerfer, Laternen und Leuchtreklamen färbte den wolkenzerfressenen Nachthimmel in fahlem Orange. Ein schwüler Sommerwind trieb Feinstaub und Smog in Böen vor sich her und schlug Wellen im trägen Brei der großstädtischen Geräuschkulisse.
    Auf dem Dach des größten Einkaufszentrums von Kenneth standen zwei Vampire in der letzten Abenddämmerung und beobachteten das Leben, das weit unter ihnen durch die Straßen floss. Keiner von beiden sprach. Mit regloser Miene starrte Kris auf die langsam erwachende Stadt. Er wusste längst, was Hannah ihm sagen wollte.
    Es hatte keinen Sinn mehr zu warten. Die Flucht aus der OASIS war schiefgegangen. Er musste die Suche von vorn beginnen. Einen anderen Menschen mit Wahrem Blut finden.
    Niemand kannte diese Wahrheit besser als Kris.
    Aber die Worte, um sie zu beschreiben, waren zu bitter, als dass er sie hätte in den Mund nehmen wollen. Also schwieg er, während die Geräusche der riesigen Stadt zu seinen Füßen ungerührt weiter gegen die Hochhäuser brandeten und in winzigen Tröpfchen zu ihm heraufspritzten. Der Wind rieb an seinen Wangen und zerrte an seinen Haaren.
    Auch Hannah brach das Schweigen nicht. Vermutlich ahnte sie, wie hart dieser Rückschlag ihn traf. Und wenn sie esahnte, dann wusste sie auch, dass es in dieser Lage keinen Trost für ihn gab.
    »Ich muss gehen«, murmelte Kris, als sie alle lautlosen Worte ausgetauscht hatten und es nichts mehr zu denken gab.
    »Halt die Augen offen. Trotz allem.«
    Er erhielt keine Antwort. Aber er brauchte auch keine.
    Mit einem Satz sprang er vom Dach, glitt durch die dicke warme Luft den weiten Weg nach unten und verschwand in den pulsierenden Schatten der nächtlichen Großstadt. Mischte sich unter die gesichtslosen Vampire, die mit leeren Augen durch die Straßen trieben und verbarg seinen Zorn und seine Enttäuschung in der anonymen Menge vor Hannahs Blick.
    Er konnte nicht mit ihr reden. Ihr nicht erklären, warum der Stachel diesmal so tief steckte.
    Er wäre nur in Versuchung gekommen, ihr mehr über die Wahrheit zu erzählen.

ERSTER TEIL: RED SEPTEMBER 38.07
    Ein Mensch ist mehr als nur sein Blut.
    Ein Bluter ist mehr als nur ein Mensch.

Kapitel Eins
    O rganized A ccommodation S ystem for I mperiled S pecies, Missouri
    »Weißt du, wie sie diese Farm nennen? Sie nennen sie OASIS …«
    Gemeinsam mit seinen Mitbewohnern aus dem Wohnblock Rot stand Red September 38.07 auf dem Hof und sah zu, wie die sieben Transporter im letzten Abendlicht durch das Tor rollten. Hinter den Wagen konnte er ein Stück blauvioletten Himmel sehen. Darunter eine lange, geteerte Straße – und am Horizont ein Meer von winzigen Lichtern.
    Red atmete tief ein und wischte sich die schweißfeuchten Hände an seiner Hose ab. Flüchtig fragte er sich, ob es wohl stimmte, was man sich erzählte: Dass jedes einzelne Licht ein Haus in einem Ort namens »Stadt« war. Ein Ort, an dem mehr als eine Million Vampire lebten. Für Red eine schier unvorstellbare Zahl. Hier auf der Farm wohnten nicht einmal zehntausend Menschen in den sieben Wohnblocks und der Aufzuchtstation. Konnte es so große Orte, so viele Häuser auf einem Fleck geben? Allein die Vorstellung ließ ihn schwindeln. Aber bald würde er es ganz genau wissen. Heute noch würde er es mit eigenen Augen sehen.
    Nervös schob er das Relacinbonbon mit seiner Zunge von einer Wange in die andere und spürte mit einiger Erleichterung das Kribbeln, mit dem der entspannende Wirkstoff durch seinen Körper rann. Gut, dass ihm noch rechtzeitig der Gedanke gekommen war, eine Handvoll Bonbons aus der Blutabnahme mitzunehmen. Ganz ließ sich die Nervosität auch mit dem Relacin nicht vertreiben. Aber glücklicherweisewar Red nicht der Einzige, der damit zu kämpfen hatte. Kein Mensch konnte beim Anblick der finsteren Gestalten, die aus den Führerkabinen sprangen, seine Angst unterdrücken. Angespanntes Schweigen lag drückend über dem Hof, und niemand wagte auch nur zu husten, bis sich die Tür des Verwaltungsgebäudes hinter den Transporterführern geschlossen hatte.
    Red atmete tief durch und ließ den Blick über seine Kameraden schweifen, wie so oft in letzter Zeit. Und wie jedes Mal spürte er, wie er bei ihrem Anblick ein bisschen ruhiger wurde. Hunderte von Menschen in einheitlich grüngrauer Kleidung und mit glattrasierten
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