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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman
Autoren: Franka Rubus
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Vorsichtig streckte er sich und tastete nach dem gegenüberliegenden Stapel. Red war nun froh, dass er sich im vergangenen Sommer mehr an der Kletterwand als im Kraftraum aufgehalten hatte. Trotzdem verlor er mehr als einmal fast den Halt, und es schien ihm Stunden zu dauern,bis er endlich den vibrierenden Grund der Ladefläche unter den Füßen spürte.
    Eine kurze Weile blieb er stehen, um zu verschnaufen. Ob sie wohl mittlerweile in der Stadt waren? Zumindest weit genug entfernt von der Farm mussten sie inzwischen sein, dachte Red. Er sollte sich besser beeilen, sonst kamen sie noch am Zielort an, bevor er den Transporter verlassen hatte. Noch immer blind tastete er sich an den Kisten entlang und war erleichtert, als er schließlich die Tür erreichte.
    Ein letztes Mal rief er sich Blues Gesicht ins Gedächtnis. Dann drückte er den Griff herunter.
    Grelles Licht blendete ihn. Der Fahrtwind riss ihm die Tür aus der Hand, und Red schwankte. Wie schnell sie waren! Er hatte die Transporter bisher nur langsam rollen sehen. Dass sie eine solche Geschwindigkeit aufnehmen konnten, hatte Red nicht gewusst. Bei voller Fahrt abzuspringen, würde noch bei weitem unangenehmer werden, als er befürchtet hatte. Aber er hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Hinter ihnen fuhr noch ein weiteres Fahrzeug. Endlose Augenblicke lang starrte Red direkt in das bleiche, entgeisterte Gesicht des Fahrers.
    Und dann sprang er.
    Die Fliehkraft schleuderte ihn aus dem Gleichgewicht. Seine Schulter krachte hart auf den Asphalt. Ein scharfer Schmerz durchzuckte ihn, als sein Körper sich mehrfach überschlug und gegen den Bordstein prallte. Lautes Hupen dröhnte durch die von blassen Lichtern erhellte Nacht. Dicht an Reds Kopf donnerten die Räder des Transporters vorbei, bevor das Fahrzeug mit kreischenden Bremsen zum Stehen kam. Ohne noch einen Gedanken an den Schmerz zu verschwenden, sprang Red auf die Füße und stolperte vorwärts,rannte auf einen Spalt zwischen zwei Gebäuden zu, in dem undurchdringliche Schwärze Schutz versprach. Türen krachten hinter ihm auf und schlugen wieder zu. Aufgeregte Stimmen wurden laut, aber Red sah sich nicht um. Er rannte – rannte, wie er noch nie in seinem Leben gerannt war und wusste doch mit schrecklicher Gewissheit, dass er keine Chance hatte zu entkommen. Er war nur ein Mensch. Sie konnten ihn sehen, egal wie dunkel es war. Sie konnten ihn riechen. Sie konnten ihn spüren.
    Die Schatten verschluckten ihn. Seine Füße stolperten über Hindernisse, die er nicht erkennen konnte.
    Die Stimmen hinter ihm wurden leiser. Verfolgten sie ihn nicht?
    Red rannte weiter.
    Andere Fahrzeuge hupten. Reifen quietschten auf dem Asphalt.
    Der Atem stach in Reds Lungen. Aber er hielt nicht an, tauchte immer weiter ein in die schützende Dunkelheit, hetzte durch die finsteren Gassen, obwohl er seine Füße kaum noch spürte. Hastig bog er um eine Ecke, dann um noch eine – und fand sich im nächsten Moment unvermittelt auf einem Hof wieder, der von hohen Häusern umgeben war.
    Keuchend wurde er langsamer. Was nun? Wohin? Völlig außer Atem blieb er schließlich stehen und lauschte.
    Der Hof lag still in bleichem Licht. Schatten hingen in den schmalen Treppenaufgängen. Von den aufgeregten Rufen hinter ihm war nichts mehr zu hören. Nur von weit entfernt drangen Stimmengewirr und das Klappern vieler Schritte an seine Ohren.
    Eine Million Vampire. Die Stadt. Er hatte sie erreicht. Aber wohin sollte er sich jetzt wenden? Wie sollte er Blue finden?
    Ängstlich warf Red einen Blick zurück in die Gasse, aus der er gekommen war. Niemand war zu sehen.
    Warum verfolgten sie ihn denn nicht?
    Oder konnte er sie einfach nur nicht hören?
    Der Gedanke, umzukehren und einen anderen Weg zu suchen, schnürte ihm die Kehle zusammen. Aber hier konnte er nicht bleiben. Nicht mitten auf dem Hof, wo ihn jeder sofort sehen würde. Und einen anderen Ausweg konnte er nicht entdecken. Mit zaghaften Schritten näherte sich Red dem Eingang der Gasse. Die Dunkelheit schien ihm nun bei weitem nicht mehr so schützend wie zuvor. Ein eisiger Luftzug trieb eine Gänsehaut auf seine Arme, als er ein weiteres Mal in die Finsternis eintauchte. Schatten umgaben ihn, die unheimlich lebendig schienen. Jeder Schritt hallte dumpf von den Häuserwänden wider.
    Bewegte sich da nicht etwas?
    Red ging schneller, in der Hoffnung, dem nervösen Kribbeln in seinem Nacken zu entkommen.
    Waren das nicht glühende Augen, die ihn anstarrten?
    Die Schatten
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