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Komm zurueck nach Italien

Komm zurueck nach Italien

Titel: Komm zurueck nach Italien
Autoren: Michelle Reid
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1. KAPITEL
    Behutsam, um auch nicht das geringste Geräusch zu verursachen, zog Catherine die Kinderzimmertür hinter sich zu und ließ sich erschöpft dagegen sinken. Endlich war Santo eingeschlafen! Sein Schluchzen klang Catherine immer noch in den Ohren, denn Santo hatte so herzzerreißend geweint, wie es nur ein Fünfjähriger tun konnte.
    So darf das nicht weitergehen! sagte sie sich. In letzter Zeit hatte es immer häufiger Tränen gegeben, und Santos Wutaus brüche waren von Mal zu Mal heftiger geworden. Es war unverantwortlich, weiterhin den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass Santo sich schon wieder fangen würde. Das würde die Situation nur noch weiter verschärfen. So schwer es ihr auch fiel und welche Angst sie davor auch hatte, sie musste handeln - und zwar sofort.
    Luisa, ihre Schwiegermutter, wollte morgen mit dem ersten Flug von Neapel nach London kommen, deshalb musste sie unbedingt noch heute informiert werden.
    Catherine gab sich einen Ruck und ging die Treppe hinunter zum Telefon. Was sollte sie Luisa nur sagen? Einfach mit der Tür ins Haus fallen und ihr erklären, dass sich ihr Enkel weigerte, mit nach Neapel zu fliegen? Das schien das Einfachste, aber ein offenes Wort in dieser Situation konnte eine liebevolle Großmutter wie Luisa nur verletzen, und außerdem würde sie, Catherine, dann nur wieder als die ewige Unruhestifterin dastehen.
    Um Himmels willen, wie sehe ich denn aus! dachte sie entsetzt, als sie im Vorbeigehen zufällig in den Spiegel blickte. Aber eigentlich war es nicht verwunderlich, denn die letzten Tage waren für sie die Hölle gewesen. Je näher der Abreisetag gerückt war, desto schwieriger war Santo geworden und desto schlechter hatte sie vor Aufregung schlafen können. Die durchwachten Nächte hatten ihrem Aussehen nicht gerade gut getan, ihr Gesicht war blass und spitz geworden, und ihre Augen lagen tief in den Höhlen.
    Catherine lächelte mit leiser Selbstironie. Wenn mein rotes Haar nicht wäre, könnte man mich glatt für das kleine Gespenst aus Vitos Buch halten, dachte sie, obwohl mich eigentlich nie mand als „klein” bezeichnen kann, denn immerhin bin ich eins-fünfundsiebzig groß, wenn auch sehr schlank. Viel zu schlank für den Geschmack mancher Leute.
    Für Vitos Geschmack.
    Ihr Anflug von Humor verging ebenso schnell, wie er gekommen war, denn allein der Gedanke an diesen Mann erfüllte sie mit Bitterkeit. Vito - Vittorio Adriano Lucio Giordani, wie er offiziell hieß - war ebenso eindrucksvoll wie sein Name. Er war ein reicher und mächtiger Mann, und er war die Wurzel all ihrer Probleme.
    Catherine hatte diesen Mann einmal geliebt, jetzt hasste sie ihn. Das fand sie bezeichnend, denn sein widersprüchlicher Charakter forderte zu widersprüchlichen Reaktionen heraus. Vito war wahnsinnig attraktiv, arrogant und der fantasievollste und einfühlsamste Liebhaber, den man sich nur vorstellen konnte: Er war gefährlich unwiderstehlich.
    Catherine fröstelte wie immer, wenn sie an ih n denken musste, und verschränkte unwillkürlich abwehrend die Arme vor der Brust. Vito war der Schatten der Vergangenheit, der ihr jetziges Leben verdunkelte, und der Grund für Santos aufsässiges Verhalten. Aber ebenso wenig wie ihren Schatten konnte sie die Erinnerung an ihn abschütteln.
    Vitos einzig positiver Charakterzug war für sie die bedingungslose Liebe zu seinem Sohn, die von Santo jedoch in letzter Zeit immer stärker in Frage gestellt wurde.
    „Ich hasse euch beide, dich und Papa! Ich will euch nicht mehr lieben!”
    Diese verzweifelte Aussage ihres Sohnes hatte Catherine mit ten ins Herz getroffen. Sie hatte ihr gezeigt, wie verletzt und verunsichert Santo war, wie völlig überfordert er, ein fünfjähriger kleiner Junge, mit der Situation war. Als seine Mutter musste sie ihm helfen.
    Allein der Anblick des Telefons versetzte Catherine jedoch in Angst und Schrecken. Seit sie vor drei Jahren Neapel verlassen hatte, hatte sie nie wieder in der Villa Giordani angerufen. Alle Kontakte waren entweder über Rechtsanwälte oder brieflich über Luisa gelaufen. Vom Inhalt des Gespräches ganz abgesehen, würde allein die Tatsache, dass Santos Mutter persönlich anrief, den Haushalt der Giordanis in hellste Aufregung versetzen.
    Zögernd griff Catherine zum Hörer und wählte. Sie schimpf te sich einen Feigling, denn sie hoffte inständig, dass in Neapel niemand zu Hause war. Sie hörte das Freizeichen, schloss die Augen und grub die nackten Zehen tief in den
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