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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman
Autoren: C.H.Beck
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Füßen eine Falltür geöffnet hatte und der leichteste Windstoß ihn hätte hineinpusten können. Doch es war nicht der Geruch des Meeres, der ihn so betörte; es war das angelaufene Silber ihrer Augen und etwas, das direkt dahinterlag und nicht zu erkennen war.
    Er ging weiter. Vorbei an seinem Schreibtisch und an den Tischen der anderen Schreiber, deren Maschinen, während er sich ihnen näherte, mitten im Satz verstummten. Er wusste, wie er ihnen vorkommen musste – konfus, zittrig, unsicher: nicht der Unwin, den sie kannten, sondern ein Fremder mit Unwins Hut in der Hand.
    Was sein Ziel gewesen war, wusste er erst, als er direkt davor stand. Nur wenige außer Mr. Duden selbst näherten sich jemals der Bürotür des Oberschreibers. Das Fenster in der Tür war aus Milchglas, was ganz unüblich war. Vor dem heutigen Tag hatte Unwin die Tür immer nur von Weitem gesehen. Jetzt stellte er seine Aktentasche ab und hob die Faust, um anzuklopfen.
    Noch bevor er das tun konnte, öffnete sich die Tür nach innen, und Mr. Duden, ein Mann mit rundem Kopf und farblosem Haar, sagte rasch: «Bitte entschuldigen Sie, Sir, aber hier muss ein Irrtum vorliegen.»
    Unwin war nie mit «Sir» angesprochen worden. Er war immer «Unwin» gewesen, mehr nicht.
    «Ja, ich bitte um Verzeihung, Mr. Duden, hier liegt in der Tat ein Irrtum vor. Ich bin heute ein paar Minuten zu spät gekommen. Die Einzelheiten will ich Ihnen ersparen, da alles in meinem Bericht, den ich unverzüglich schreiben möchte, stehen wird. Die Anwesenheit einer anderen Person an meinem Schreibtisch, die meine Maschine benutzt,hält mich jedoch davon ab. Sicher mussten hier wegen meiner Verspätung gewisse Maßnahmen ergriffen werden.»
    «Nein, bitte verzeihen Sie, Sir, Sie sind überhaupt nicht zu spät. Sie sind einfach nur … das heißt, ich wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass – nun, wie soll ich es ausdrücken? –, dass Sie befördert worden sind. Und obwohl wir uns natürlich freuen, dass Sie daran gedacht haben, hier herunterzukommen, um Ihren alten Kollegen einen Besuch abzustatten, widerspricht es den Regeln der Agentur, dass ein … nun, ein Detektiv, wissen Sie, direkt mit einem Schreiber in Kontakt tritt ohne die Vermittlung durch einen Boten.»
    «Den Regeln der Agentur. Natürlich.» Das war jetzt bereits die längste Unterredung, die er jemals mit seinem Vorgesetzten geführt hatte, abgesehen von einem kurzen Austausch von Aktennotizen, der etwa vor drei Jahren stattgefunden hatte, als es um die Zuweisung von Regalplatz für die Schreiber der östlichen Tischreihe gegangen war, wobei es sich, streng genommen, gar nicht um eine Unterredung gehandelt hatte. Es geschah folglich nur mit großem Zögern, dass Unwin fragte: «Aber Sie und ich, wir können doch offen miteinander reden, oder?»
    Rasch ließ Mr. Duden den Blick durch den Raum schweifen. Niemand tippte. Irgendwo klingelte ein Telefon, ohne dass jemand dranging, dann musste sich auch dieses Bimmeln der großen Stille geschlagen geben. Mr. Duden sagte: «Nun, obgleich ich der Vorgesetzte im vierzehnten Stockwerk bin, so bin ich doch auch – rein technisch wohlgemerkt – ein Schreiber. Weshalb diese Unterredung, nun ja, wissen Sie, den Regeln der Agentur widerspricht.»
    «Dann denke ich», sagte Unwin, «dass wir dieses Gespräch auch, gemäß den Regeln, beenden sollten.»
    Mr. Duden nickte, sichtlich erleichtert.
    «Und wo im Gebäude soll ich nun meinen Schreibtisch vorfinden?»
    Es schien Mr. Duden zu schmerzen, als er sagte: «Vielleicht im neunundzwanzigsten Stockwerk. Laut der Aktennotiz, die ich erhalten habe, Zimmer 2919.»
    Natürlich, ein Austausch, der zwischen den Büros stattgefunden hatte! Mit einem solchen Sendschreiben als Anhaltspunkt würde Unwin den Weg dieses ganzen Missgeschicks bis zu seiner Ursache zurückverfolgen und die Angelegenheit höchstpersönlich regeln können. Obwohl es eher unorthodox war, seinen Vorgesetzten um eine Aktennotiz zu bitten, die an ihn gerichtet war, ging Mr. Duden offenbar davon aus, dass Unwin neuerdings einen höheren Rang hatte als er, weshalb er ihm die Bitte nicht abschlagen konnte. Die Verwirrung seines Vorgesetzten zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen, hätte jedoch bedeutet, sich auf genau das Missverständnis zu stützen, das Unwin doch so gerne ausgeräumt hätte. Man stelle sich den Bericht vor, den er schreiben müsste, um seine Handlungsweise zu erklären; all die Ergänzungen und Anhänge, die Fußnoten und die Fußnoten
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