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Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Titel: Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Autoren: Simone Knodel
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1. Buch
Im Jahre des Herrn 1086
    D as Trommeln der Pferdehufe wurde vom weichen Moos des Urwaldbodens fast vollständig gedämpft, obwohl die junge Reiterin den Rappen beinahe bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit trieb. Er war ein ausgesprochen edles Tier. Seine Muskeln spielten kraftvoll unter dem schwarz glänzenden Fell, während der Hengst mit scheinbarer Leichtigkeit die Vielzahl von Hürden nahm, die ihm die Natur in diesem unberührten Waldstück in den Weg gelegt hatte. Mit weit ausholenden Sprüngen setzte er über morsche Stämme, die so dicht mit Moos und Farnen bewachsen waren, dass sie sich erst im letzten Augenblick aus dem unter den Hufen dahin huschenden Grün hervorhoben. Doch das Pferd war dem scharfen Ritt sehr gut gewachsen, ebenso wie seine Herrin, die mit erhitztem Gesicht und glühenden Augen im Sattel saß und nur mit leichtem Schenkeldruck die Richtung vorgab.

    Die Zügel locker um die schmalen Handgelenke gewunden, erhob sie sich bei jedem Sprung aus dem Sattel oder wich mit geschmeidigen Bewegungen tiefer hängenden Ästen aus. Bildete sie körperlich auch eine perfekte Einheit mit dem schwarzen Reittier, so konnte der optische Kontrast nicht auffälliger sein. Ihre langen blonden Haare hatte sie zu festen Zöpfen geflochten, die über dem dunkelroten wollenen Umhang auf ihren Rücken fielen. Sie war noch jung, zählte vielleicht vierzehn oder fünfzehn Sommer, und von zarter und blasser Gestalt. Auf ihrer weißen, fast durchsichtigen Haut zeigten sich unter der Frühlingssonne erste Sommersprossen. Niemand, der sie noch nicht so hatte reiten sehen, hätte geglaubt, dass sie den Rappen beherrschen könne, dessen Widerrist weit über ihren Kopf ragte, wenn sie neben ihm stand. Doch sie liebte den Hengst abgöttisch und der dankte es ihr mit unbedingtem Gehorsam.
    Obwohl sie schon seit Stunden unterwegs waren, zeigte das Tier kaum Ermüdung. Mit einer leichten Bewegung des linken Unterschenkels lenkte das Mädchen nun zu den Klippen, sie wollte ihm eine Atempause gönnen und selbst den Ausblick über das Tal genießen. Als der dichte Wald sich lichtete, spornte sie ihr Pferd noch einmal zur Höchstleistung an, schmiegte sich fest an seinen Hals und vergrub Hände und Kinn erwartungsvoll in der Mähne. Sie liebte den frischen Wind, der vom Fluss herauf über die weißen Kalksteinfelsen strich und ihr die erhitzten Wangen kühlte. Doch gerade als der Hengst im gestreckten Galopp auf die Lichtung zuflog, erblickte sie vor sich auf dem schmalen Pfad etwas, was dort nicht hingehörte. Im selben Augenblick hörte sie einen schrillen Schrei, der ihre Reaktionszeit verkürzte und sie mit aller Kraft die Zügel zurück reißen ließ. Der Schwarze stieg und wieherte empört über diese abrupte Unterbrechung seines Tempos. Während er scheinbar eine Ewigkeit senkrecht stand, versuchte die junge Reiterin, sich auf seinem Rücken zu halten, denn sie hatte die sichere Mähne loslassen müssen. In diesen Momenten, die verlangsamt abzulaufen schienen, sah sie zwischen den wild rudernden Vorderhufen ihres Pferdes einen Schatten ins Gebüsch springen und verschwinden. Als das Tier endlich wieder auf vier Beinen stand und mit zitternden Flanken unruhig den weichen Boden zertrat, wirkte der Wald vor ihnen unberührt, als wäre nichts passiert. Das Mädchen reckte sich im Sattel auf und spähte mit strengem Blick in die Büsche, wobei sie sich mit einer empörten Bewegung die beiden Zöpfe auf den Rücken warf.
    „Kommt heraus und zeigt Euch, wer immer Ihr seid! Niemand erschreckt Adelheid von Lare zu Tode und verschwindet dann einfach im Gebüsch!“ Beruhigend tätschelte sie dem Pferd den Hals und ließ die Blicke aus ihren blauen Augen über das frische, aber bereits undurchdringliche Grün diesseits des Pfades gleiten. Als nach kurzer Zeit eine schwarzhaarige Frau mit einem ebenso dunklen Mädchen an der Hand hervor trat, atmete Adelheid erleichtert auf und ließ sich wieder in den Sattel fallen. Nachdem sie sich eine Weile schweigend gegenseitig gemustert hatten, deutete die Frau eine leichte Verbeugung an.
    „Verzeiht, Fräulein Adelheid, wir wollten Euch nicht erschrecken. Aber meine Magdalena hat Euer Pferd nicht gehört, der Moosboden dämpft die Hufschläge.“ Zärtlich strich sie der Tochter über das wirre Kraushaar. Das Mädchen mochte nicht viel jünger sein als Adelheid selbst. Ihre großen unergründlich schwarzen Augen waren noch immer vom Schreck geweitet, doch blickten sie offen
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