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Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits

Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits

Titel: Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
Autoren: Peter O'Donnell
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    «Pech, daß es gerade er sein mußte», sagte Liebmann.
    «Seiner Dienstbeschreibung nach war er ein guter Mann.»
    Sarrat zuckte die Achseln und rieb sich das ausladende Kinn. «Er ist immer noch gut. Es wird für die Zwillinge nicht einfach sein, ihn zu erledigen.»
    «Um so besser; somit ist also für Unterhaltung gesorgt», erwiderte Liebmann. Er war blond, helläugig, hatte ein schmales, asketisches Gesicht und die Stimme eines gefallenen Engels. Die äußerst exakt betonten Worte sprangen wie Eisstücke von seinen schmalen Lippen.
    Englisch war nicht seine Muttersprache, ebensowenig die Sarrats noch die der Mehrzahl jener Männer, die hier in diesem fast sieben Kilometer langen, von schroff aufsteigenden Felswänden eingeschlossenen Tal der größten Gebirgskette der Welt lebten. Aber laut streng eingehaltener Vorschrift durfte nur Englisch gesprochen werden, wobei der amerikanische Akzent bevorzugt, wenn auch nicht ausdrücklich verlangt wurde.
    Hinter den beiden Männern, hingesetzt zwischen zwei hochaufragende Felsen, die in das Tal vorstießen, lag der Palast mit seiner schmutziggelben Fassade. Seine Mauern aus sonnengetrockneten Ziegeln waren errichtet worden, als sich der Islam noch in seinen Anfängen befand.
    Das dreigeschossige Gebäude erstreckte sich über eine Fläche von einem halben Morgen. Die Mauern und die mit Stuck überzogenen Balken in seinem weitläufigen Innern hatten dem zerstörenden Zugriff der Jahrhunderte gut widerstanden; nur das Dach war verfallen, und so hatte man die schadhaften Stellen zwischen den vier Kuppeln mit schweren, auf Holzrahmen gespannte Plastikfolien abgedeckt.
    Aus einem niedrigen Torbogen trat ein Mann und kam auf Liebmann und Sarrat zu. Wie die beiden trug auch er einen grobgewebten, bis zum Hals geschlossenen mausgrauen Waffenrock und dunkle Drillichhosen.
    Über der einen Schulter hatte er eine M-16, ein automatisches Gewehr, hängen, und an der Brust trug er Patronentaschen.
    «Hamid», sagte Liebmann und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. «Wir fahren gleich los.»
    Hamid nickte. Er hatte das schmale, bleiche Gesicht des Berbers und kalte schwarze Augen.
    Sarrat grinste, als er das Gewehr sah. «Das Ding wirst du heute nicht brauchen, Freundchen. Laß es ruhig hier. Ich passe auf dich auf.»
    «Du weißt doch, er schläft sogar mit seiner Flinte», meinte Liebmann. «Laß ihn in Frieden, Sarrat.»
    «Eines Tages», knurrte der Berber den großen Franzosen an, «eines Tages, Sarrat, wenn das hier alles vorbei ist, dann gehen wir in die Berge. Du mit deinen großen, lauten Maschinengewehren, und ich bloß mit dem da.» Seine Finger klopften auf die schnittige, drei Kilo schwere Waffe. «Ich könnte sämtliche Mannschaften deiner Abteilung umlegen, und sie würden mich nicht einmal sehen.»
    Sarrat grinste wieder. Er war ein massiger Mann, aber alles an ihm waren Muskeln. «Wenn ich dich kille, Hamid, mein kleiner Kohlkopf, werde ich trachten, daß du mit der Schnauze gegen Mekka fällst.»
    Hamids Augen verengten sich bedrohlich, aber Liebmann, der eine Hand hob und den wartenden zwölf sandfarbenen Jeeps ein Zeichen gab, sagte völlig ausdruckslos: «Schluß jetzt. Karz wird keine Freude haben, wenn ich ihm erzähle, daß zwei seiner Kommandeure einander umlegen wollen.»
    «Schon gut – ist ja alles nur Spaß», entgegnete Sarrat rasch, und Hamid nickte. Schweigend blieben die beiden Männer nebeneinander stehen.
    Ein Jeep scherte aus der Kolonne aus, fuhr zu ihnen herauf und hielt an. Der Fahrer, ein schlanker, sehniger Mann mit einer langen Narbe auf der sonnengebräunten Wange, trug eine Tropenuniform der US-Armee, oder vielleicht war es auch nur eine getreue Kopie davon.
    Hemd und Hose waren zerknittert und ausgeblichen, aber frisch gewaschen.
    Er wartete in lässiger Haltung, bis die drei Männer eingestiegen waren, dann legte er den Gang ein.
    «Zur Arena hinunter, zur Schlachtbank?» fragte er, während er den Jeep auf die staubige Straße lenkte, die von dem großen Platz vor dem Palast wegführte. Sein Englisch klang ungezwungen, er sprach mit dem näselnden Akzent von Liverpool.
    «Ja», antwortete Liebmann und sah den Fahrer an.
    «Sie sind doch Carter, aus einer der Sprung-Abteilungen, nicht wahr?»
    «Stimmt», kam die knappe Antwort. Hier im Tal wurde nicht gegrüßt, nicht stillgestanden, hier gab es kein Reglement und keinen Drill. Sehr zum Bedauern von Liebmann. Aber er mußte zugeben, daß es nicht notwendig war. Überhaupt nicht
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