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Hacken

Hacken

Titel: Hacken
Autoren: Christoph Braun
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Lindenhof entfernt liegt nun der nur ein Hektar große Garten von Athene Bio, auf anderen Höfen steht allein für die Wirtschaftsgebäude mehr Platz zur Verfügung. Doch hier geht es nicht um den Absatz von Mengen.
     
    Schon der Name beinhaltet einen Hinweis darauf, wie umfassend der Ansatz von Athene Bio ist. Durch gezielten Heckenbau möchten Norbert und Bianca den Steinkauz wieder ansässig machen. Athene noctua, der kleine Eulenvogel, kurzer Schwanz und dichte Wolle, von dunklen Bändern durchzogen und mit Flecken übersät, soll sich wieder heimisch fühlen im Wolfenbütteler Hügelland. Bianca lebt vegan, Norbert lebt mit seinen Tieren, den Schafen. Drei verschiedene Rassen hat er auf verschiedenen Weiden im Umland stehen, das Rauhwollige Pommersche Landschaf, die Weiße Hornlose Heidschnucke sowie das Coburger Fuchsschaf. Jeden Tag muss er für ein, zwei Stunden raus, checken, ob alles in Ordnung ist. Wo beim Menschen das Herz schlägt, an diese Stelle haben die beiden in ihrem Garten den Pulsgeber des Betriebs hingebaut: ein Gemüsehaus und einen Tunnel, beides aus transparenter Folie. Dort werden die Pflanzen angezüchtet; im Spätherbst, im Vorfrühling wächst hier noch das letzte und wieder das erste Grünzeug. Wächst gut. Der Löß, die Schwarzerde der Börde, garantiert Fruchtbarkeit. So dunkel, so reich an Würmern, Bakterien und Nährstoffen der Boden hier ist, so beginnt es hier im Frühjahrzu vibrieren. Es sirrt und surrt, wenn die Vögel die Saat picken, die Weißfliegen, leicht wie Asche, den jungen Kohl belästigen. In den Blüten der Purpurnen Sonnenhüte aalen sich Wespen, Bienen, Admirale und Zitronenfalter.
    GRUPPENPORTRÄT MIT PAAR
    In den unterschiedlichsten Milieus sind sie aufgewachsen, die Leute von Eilum. Am Rande Braunschweigs ist der Bauernsohn Norbert groß geworden. Norberts Mutter hat zum Beispiel die Weißen Bohnen gezüchtet, die Athene Bio anbaut. Zu seinen Idealen gehört tatsächlich das bäuerliche Leben, im Gegensatz zur Idee des »Landwirts«. Da der Anbau von Lebensmitteln längst von industriellen Methoden geprägt wird sowie von Äckern, die zu Fuß kaum noch an einem Tag zu durchwandern sind und Traktorenlenkhäusern, die einem Flugzeug-Cockpit ähneln, fordert diese Bewegung eine Feldarbeit, die noch einen direkten Bezug zu den Pflanzen und Tieren aufnimmt. Norbert, Mitte der 1950er-Jahre geboren, ist ein aufrechter Mensch. In jeder Situation sagt er seine Meinung. Wenn ein Dorfnachbar in der Zeit des Frühjahrsschnitts wieder zuviel Feldhecken ummäht, dann bedeutet das in Norberts Augen einen Frevel an der Natur: Schon wieder wird den Vögeln damit die Möglichkeit genommen zu nisten, zu brüten, sich zu verstecken. Norbert ist der einzigeMensch, den ich kenne, der sich dann aufregt und diesem Nachbarn ein extrem glaubwürdiges »Du Umweltfrevler!« hinterher ruft. Er lacht nicht dabei. Er meint es vollkommen ernst. Also wird auch nicht mit irgendeiner Geste hantiert, die einen solchen Ausspruch mildern oder gar brechen würde. Das ist uncool. Doch es gehört zum Wesen Norberts, über das sich vor allem sagen lässt: Wer etwas über das Leben da draußen erfahren möchte, wende sich einfach an ihn.
     
    Fliegt etwa eine Heckenbraunelle über den Garten, ein Vögelchen mit gekrümmtem Insektenfresserschnabel, spricht Norbert von der Tönung des Tieres und wie sie sich im Laufe der Jahreszeiten verändert, erklärt die Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen, weiß, wo sie nisten und wo sie am liebsten singen, unterscheidet zwischen Liebeswerben und Warnrufen. So geht das mit allen Vögeln und mit den Bakterien und mit den Würmern und mit dem Fuchs und den Hühnern, den Dutzenden Arten der Distel. Als müsse sich der Hüne mit den breiten Schultern ständig seiner Verbundenheit mit allem Lebenden vergewissern. Man lernt eine Menge von ihm, doch seine Lehre ist eine manische, er kann nicht anders. Sie hat nichts zu tun mit Eitelkeit. Dieses Buch wird er wohl nicht lesen: Viel zu viele Menschen, so sagt er mir, täten unnütze Dinge, zum Beispiel Bücher schreiben. Was ihn nicht daran hindert, sich jeden Morgen um fünf, halb sechs eine halbe Stunde Zeit zur Lektüre der
taz
zu nehmen.
     
    Bianca dagegen ist von einer gewissen Grundhärte geprägt. Sie ist halb so alt wie Norbert, doch ihre tiefe Stimme, ihre breiten Schultern und ihre Größe von über eins achtzig geben ihr Autorität. Sie redet mit dem Gemütlichkeit verströmenden weichen Tonfall des
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