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Hacken

Hacken

Titel: Hacken
Autoren: Christoph Braun
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Amsterdamer Homepage
De Digitale Stad
angelehnt und entsprach in ihrer Gliederung tatsächlich der Architektur einer Stadt. Das gehörte zu den Motiven dessen, was in dieser Zeit unter den Namen »Netzaktivismus« fiel. Denn man stellte sich vor, dank Providern wie diesen ideale digitale Räume zu erschaffen: Eine Stadt, in der man tatsächlich leben möchte, weil sie frei ist von Machtstrukturen und von kommerziellen Interessen. Selbstverständlich entdeckten auch die Fans kommerzieller Interessendas Internet, und es sollte zu jenem Paradigma des Netzes kommen, wie wir es im Grunde heute noch kennen: Die Website als Schlagwortverzeichnis, enger angelehnt an die Gelben Seiten als an einen utopischen Raum. Übersichtlichkeit ist schließlich längst zu dem Paradigma des Seitenbaus geworden, seit die technologischen Voraussetzungen für die Kommerzialisierung des Netzes in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre mit Höchstgeschwindigkeit Einzug hielten.
     
    Ein eigenes Modem lege ich mir erst während eines Umzugs innerhalb Berlins gegen Ende der 1990er-Jahre zu. In diesem Punkt macht mich das wohl eher zu einem Teil der frühen Mehrheit als zu einem frühen Anwender. Nun ja. Außer mit Walter Mitty gibt es keinen E-Mail-Austausch in meinem Freundeskreis. Ich studiere Soziologie und mache nebenbei ein Praktikum beim Jazz-Radio. Nachts beleuchte ich die Konzerte in einem – ziemlich uninteressanten – Live-Club in Prenzlauer Berg. Wenn das vorbei ist, gehe ich tanzen, am liebsten zu Drum’n’Bass, am liebsten in den Toaster. In dem Kellerloch in Mitte ist es dunkel und ranzig. Lackierte Kacheln verleihen dem Raum dazu noch einen fürchterlichen Klang voller Fiesheiten. Hier findet die Raserei des Rhythmus, die Drum’n’Bass in seiner heißen Phase sein kann, einen Schauplatz. Er ist unerbittlich.
    BILDUNG, JOBS & SPASS
    Immer ein bisschen abgefuckt sein, das gehört im Berlin der 1990er-Jahre zum guten Ton. Im Dunkeln leben, in jenem Bereich, der nicht sichtbar ist für die dümmliche Wiedervereinigungseuphorie. Darin liegt die Schönheit der Coolness von Popszenen, von Jugendszenen: Nach außen abschotten. Die Frage ist, ob Coolnes heute noch zu etwas taugt, wo der Popkultur das Außen abhanden gekommen ist, wo alles Pop ist, wo sich, wie die beiden ehemaligen
Spex-
Redakteure Mark Terkessidis und Tom Holert es einst formulierten, ein »Mainstream der Minderheiten« etabliert hat. Coolness ist die Währung all dieser Minderheiten: Wie soll Coolness da noch cool sein! Doch ich schweife ab. Aus dieser selbstgesuchten Dunkelheit soll es schneller ans Licht des Tages gehen, als ich selbst je vermutet hätte: Dem Praktikum im gelbgrünen Millieu folgt eine freie Mitarbeit beim Jazz-Radio, und zwar beim Newsletter, also im Marketing des Senders. Dann schnell Studienabschluss, und: durch einen Bekannten kommt die Möglichkeit, Geld zu verdienen, indem ich Moderationen für MTV schreibe.
     
    Die HipHop-Show oder die beliebtesten Videos werden nun von meinen Texten angesagt, gesprochen durch die Münder von Menschen, die aussehen, wie man zu der Zeit aussehen muss. Das erfordert Exkursionen in die Welt des Chart-Pop, die mir völlig fremd geworden ist mit der Zeit. Durch den Kollegen erfolgen diese Ausflüge ins Bizarre nun auch über Modem durch das Internet:Recherchen bei allmusic.com, dem großen US-amerikanischen Pop-Portal, Recherchen bei MTV selbst, jenem Sender, der in den ausklingenden 1990er-Jahren die Zukunft noch nicht erkannt hat und damals noch nicht bereit ist, einem Sportverein eine niedrige fünfstellige Summe für den Kauf der Domain »mtv.de« zu bezahlen.
     
    Es ist eben eine Übergangszeit. Ihre Unannehmlichkeiten versperren den Blick auf die strahlende Zukunft des Web. Mit 56k- Modems steht den meisten Leuten die digitale Welt nicht wirklich offen, Seiten brauchen Minuten, um zu laden, immer wieder stürzt die Verbindung ab, abgerechnet wird noch nach Amtseinheiten. Bestenfalls nach Minuten. Von heute aus betrachtet bildete sich die New Economy unter widrigen Umständen aus.
    DER GARTEN
    Morgen müssen die Kartoffeln raus: Am Rande des Dörfchens Eilum liegt der Garten von Athene Bio. Das Gelände ist abschüssig. Hier läuft der Elm aus. Der Muschelkalk des Höhenzuges rutscht hinunter in einen Graben: Von Osten kommt er her, der Große Bruch, das wurmähnliche Ende der Magdeburger Börde. Im Südosten des Gartens ragt außerdem die Asse auf, ebenso ein Höhenzug wie der Elm mit Burgruinen und
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