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SAM

SAM

Titel: SAM
Autoren: Susanne Caspary
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    Kapitel I
     
     
    Sonntag!
     
    Der Blick aus dem Fenster heute morgen war ernüchternd. Aus dem Vorhaben, den Tag im  Garten zu verbringen, würde offensichtlich nichts werden. Es regnet in Strömen. Also gehe ich hinunter in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen.
    Obwohl ich wieder in England bin, bestehe ich morgens immer noch auf meine Tasse Kaffee. Seit gut einem halben Jahr lebe ich nun bereits wieder hier in Somerset im Südwesten Englands. Vieles hat sich geändert in den letzten Monaten. Ich sehe aus dem kleinen Küchenfenster in den wunderschönen Blumengarten, den meine Großmutter angelegt hat. Er war immer ihr ganzer Stolz gewesen. Während die Regentropfen stetig am Fenster entlangrinnen, macht sich erneut eine tiefe Traurigkeit in mir breit. Die Ereignisse der letzten Wochen und Monate waren für mich nicht so leicht zu verkraften und deswegen verwundert es mich auch nicht, dass mich der Tod meiner geliebten Großmutter immer noch tief berührt. Aber das Leben geht weiter, auch wenn man dieses Leben ohne den Menschen weiterführen muss, der einem immer Halt und Geborgenheit geschenkt hat.
    Ich studierte englische Literatur in den USA an der University of Arizona, als ich im November letzten Jahres aus England die erschreckende Nachricht erhielt, dass meine Großmutter an Krebs erkrankt war und vermutlich nur noch wenige Monate zu leben hatte. Natürlich hat Granny niemals etwas über ihre Erkrankung geäußert. Sie wollte mich nicht beunruhigen, denn ich sollte mich ausschließlich auf mein Studium konzentrieren. Mrs. Vandikamp, Grannys Nachbarin und gute Freundin, rief mich eines Tages an und erzählte mir von der Schwere der Krankheit. Sie meinte, ich sollte darüber informiert sein, da ich die einzige Verwandte sei. Für mich stand sofort fest, dass ich zurück nach England muss, um bei meiner Großmutter zu sein. Ich sprach also mit dem Leiter der Universität, ob ich mein  Studium vorübergehend unterbrechen könne. Nachdem ich sein Einverständnis hatte, gab ich sofort eine Annonce auf, um mein kleines Studentenappartement während meiner Abwesenheit zu vermieten.  Es dauerte auch  nicht lange und eine Kommilitonin aus meinem Geschichtskurs stand als Nachmieterin fest. Zwei Wochen nach der Nachricht von Mrs. Vandikamp saß ich schließlich im Flugzeug nach London.
    Inzwischen ist mein Kaffee fertig aufgebrüht und ich setze mich an den kleinen Tisch in der Mitte der Küche. Ich halte die heiße Tasse in meinen Händen und denke an die Zeit zurück, als ich hier ankam. Granny war natürlich nicht froh darüber, dass ich wegen ihr mein Studium unterbrochen habe. Ich versicherte ihr mehrfach, dass es kein Problem wäre, wieder mit dem Studium fortzufahren, wenn es ihr etwas besser ginge. Trotzdem hieß sie es nicht gut. Ihre Erkrankung ließ sie noch kleiner und gebrechlicher wirken, als sie sowieso schon aufgrund ihres betagten Alters war. Großmutter war immerhin 76 Jahre alt, geistig fit wie eh und je, körperlich jedoch gelangte sie immer mehr an ihre Grenzen. Der Krebs wütete in ihr, man sah es ihr an, obwohl sie es nicht zugeben wollte und die Krankheit wie einen lästigen Schnupfen abtat. Meine Großmutter war, seit ich mich erinnern kann, meine wichtigste Bezugsperson. Meine Mutter war bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich gerade acht Jahre alt war und meine Großmutter hatte mich danach zu sich genommen. Meinen Vater kenne ich nicht. Er hat Mom und mich verlassen hatte, als ich noch ein Baby war. Also waren außer meiner Großmutter keine weiteren Verwandten mehr vorhanden. Ich hatte eine glückliche und fröhliche Kindheit. Ich liebte es, wenn meine Granny mir abends am Bett die wunderschönsten, spannendsten und aufregendsten Geschichten vorlas. Sie war dabei in der Lage, den Figuren aus der Geschichte verschiedene Stimmen zu geben, dadurch wirkten sie auf mich noch realer. Oft vergaßen wir beide darüber die Zeit und waren bis tief in die Nacht in die Abenteuer von Piraten, Magiern, Elfen und anderen Fabelwesen versunken. Aber diese Zeiten sind lange vorbei und doch erinnere ich mich so gerne daran zurück. Die Leidenschaft für Bücher ist es, die Granny und mich immer besonders verbunden hat. Granny saß oft in ihrem alten Lederohrensessel, ihre Lesebrille auf der Nase, tief versunken in eine neue Geschichte. Immer öfter schlief sie in den letzten Wochen jedoch erschöpft darüber ein. Ihre Brille war dann meist etwas schief auf ihrer Nasenspitze verrutscht,
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