Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SAM

SAM

Titel: SAM
Autoren: Susanne Caspary
Vom Netzwerk:
miteinander und feierten auch die eine oder andere feuchtfröhliche Campus-Party. Tja, und dann waren wir ein Paar. Es war eine wunderschöne Zeit mit ihm und ich dachte manchmal wirklich ernsthaft darüber nach, ob dass, was wir beide füreinander empfanden so tief ging, dass sich daraus eine ernsthafte  Beziehung entwickeln könnte. Leider lief es nicht so, wie ich es mir in meinen Träumen ausgemalt hatte. Als ich ihn überraschen wollte und ein paar Tage eher aus den Semesterferien zurückkehrte, erwischte ich ihn in seinem kleinen Appartement mit einem blonden Flittchen im Bett. Mir war sofort klar: Das war‘s! Er machte auch gar nicht erst den Versuch sich zu entschuldigen oder zu sagen: „Das ist jetzt nicht so, wie’s aussieht!“ Ein Blick in sein Gesicht genügte, um zu erkennen, er würde immer wieder einer sich bietenden „Gelegenheit“ nicht wiederstehen können. Nun, mein Herz zerbrach in tausend Stücke. Ich wechselte den Kurs, belegte „Keltische Runen“ und versuchte alles, um über ihn hinwegzukommen.
    Wie ich aber jetzt so in der Badewanne liege und an ihn denke, muss ich mir demütigender Weise eingestehen, dass ich noch immer an gebrochenem Herzen leide. Könnte es auch sein, dass ich mich gar zu gern etwas länger hier in England aufhalte, um meinen angekratzten Stolz und die tiefe Kränkung besser verarbeiten zu können? Ich steige aus der Badewanne, wickle mir ein Handtuch um den Kopf und kuschle mich in meinen flauschigen Bademantel. Dann gehe ich zurück in mein Schlafzimmer. Das Bad grenzt direkt daran, was nicht unbedingt üblich in solch kleinen, englischen Häusern ist. Und so stehe ich nun vor dem großen Spiegel an der Wand zwischen meinem Bett und dem Kleiderschrank. Ich sehe eine junge Frau von fünfundzwanzig Jahren vor mir, 1,70 m groß, schlank, dunkelbraune lange Haare, schmales Gesicht mit blauen Augen, einer kleinen Nase und einem Mund, mit vielleicht etwas zu vollen Lippen. Leichte Schatten liegen um meine Augen, denn nicht nur die Trauer um meine geliebte Großmutter raubt mir oft den Schlaf, auch die Erinnerungen an meine Mutter und die furchtbaren Ereignisse um Ihren Tod quälen mich wieder in heftigen Alpträumen. Ich lege meinen Bademantel ab und fange an mich anzuziehen. In weißem Shirt und Jeans gehe ich wieder nach unten, um mein Frühstücksgeschirr abzuwaschen. Es hat wieder stärker angefangen zu regnen. Das Wetter hier ist so ganz anders als in Arizona. Dort trockene Hitze, hier auch im Sommer häufig Regen, der aber oft mit einem sehr milden, fast schon mediterranem Klima gepaart ist. Am Anfang hatte ich ganz schön Probleme mit der Umstellung, aber auch damit habe ich mich mittlerweile gut arrangiert.
    Noch immer liegt die Lokalzeitung auf dem Esstisch. Ich gehe am Tisch vorbei, um am Waschbecken den Teekessel mit Wasser zu füllen und dann auf den Herd zu stellen. Während ich darauf warte, dass das Wasser anfängt zu kochen, überlege ich, wie es mit Grannys Buchladen weitergehen soll. In den letzten Monaten sind leider einige finanzielle Verbindlichkeiten dazugekommen, die zunächst zu begleichen sind. Als da wären: die Stromrechnung, vier Monate Mietrückstand und eine kleinere Steuernachzahlung. Ich gieße das kochende Wasser in eine Tasse und lasse den Earl Grey fünf Minuten ziehen. Meine finanziellen Mittel sind sehr begrenzt, und obwohl mir Granny auch ein wenig Geld hinterlassen hat, ist davon nach der Beisetzung nicht mehr viel übrig.
    Ich rühre gedankenverloren mit einem Löffel in meiner Teetasse. Großmutter ist an einem Donnerstag gestorben. Die Sonne schien in ihr Schlafzimmer und kündigte den nahenden Frühling an. Sogar noch in den letzten Tagen vor ihrem Tod sprach sie davon, im Sommer hinter dem Haus den Gemüsegarten neu gestalten zu wollen. Sie konnte ihr Vorhaben nicht mehr verwirklichen. Am 23.März um 12.30 schlief sie für immer ein, friedlich und mit einem stillen Lächeln im Gesicht, so als hätte sie hier auf Erden ein zufriedenes und glückliches Leben gelebt und wäre nun bereit zu gehen. Die Schmerzen und Qualen, die der Krebs ihr zuletzt bereitet hatte, hinterließen nun keine Spuren mehr in ihrem Gesicht. Dr. Hewitt und Mrs. Vandikamp blieben noch den ganzen Tag bei mir, um mir Trost zu spenden, aber der Tod meiner Großmutter bedeutete für mich mehr als nur den Verlust eines geliebten Menschen, er bedeutete auch, dass ich von nun an auf mich allein gestellt bin. Ich merke, wie mir die Tränen über die Wangen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher