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Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT

Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT

Titel: Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
Autoren: Robert Ludlum
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PROLOG
    3. Juni 1968
    Der dunkelhaarige Mann starrte die Wand vor sich an. Sein Stuhl war ebenso wie der Rest des Mobiliars angenehm anzusehen, aber keineswegs bequem. Der Stil war Early American, die Ausführung spartanisch, gerade als sollten jene, denen eine Audienz mit dem Bewohner des inneren Büros bevorstand, in strenger Umgebung über die beeindruckende Chance nachdenken, die ihnen gewährt werden sollte.
    Der Mann war Ende der Zwanzig und hatte ein kantiges Gesicht mit scharfgeschnittenen Zügen, so als hätte ein Künstler sie geschnitzt, dem die Einzelheiten bewußter als das Ganze waren. Es war ein Gesicht, das in stillem Gegensatz zu sich stand, auffällig und doch unausgeglichen. Die Augen wirkten einnehmend, sie lagen tief und waren von hellem Blau und hatten etwas Offenes, Fragendes an sich. Im Augenblick schienen sie die Augen eines blauäugigen Tieres zu sein, bereit in jede Richtung zu wandern,. fest, vorsichtig.
    Der Name des jungen Mannes war Peter Kastler, und sein Gesichtsausdruck war ebenso starr wie die Haltung, die er in dem Sessel einnahm. Seine Augen blickten verärgert.
    Noch eine weitere Person hielt sich in dem Vorzimmer auf: eine Sekretärin in mittleren Jahren, deren dünne, farblose Lippen stets gespannt wirkten und deren graues Haar straff in einem Knoten im Nacken zusammengebunden war, der wie ein verblichener Helm aus Flachs wirkte. Sie war die Prätorianergarde, der Wachhund, der über den Mann hinter der Eichentür auf der anderen Seite ihres Schreibtisches wachte.
    Kastler sah auf die Uhr; die Sekretärin warf ihm einen mißbilligenden Blick zu. Jede Andeutung von Ungeduld war in diesem Büro fehl am Platz; die Audienz selbst war alles.
    Es war drei Viertel sechs; alle anderen Büros waren bereits geschlossen. Die kleine Universität von Park Forest im Mittleren Westen bereitete sich auf einen Abend im späten Frühling vor, und der immer näher rückende Termin der Abschlußprüfungen steigerte das Gefühl kontrollierter Trunkenheit.
    Park Forest gab sich Mühe, die Unruhe, die so viele Universitäten
erfaßt hatte, von sich fernzuhalten. In einem Ozean der Turbulenz war sie eine Sandbank, die nichts stören konnte. Mit sich selbst in Frieden, im Wesen ohne Störung. Und ohne Brillanz.
    Diese fundamentale Abwesenheit jeglicher mit der Außenwelt befaßten Sorgen, so ging die Rede, war es, die den Mann hinter der Eichentür nach Park Forest gebracht hatte. Er suchte Unzugänglichkeit, wenn nicht Anonymität, die ihm natürlich niemals gewährt werden konnte. Munro St. Claire war unter Roosevelt und Truman Undersecretary of State gewesen; Sonderbotschafter für Eisenhower, Kennedy und Johnson. Seine Wege hatten ihn über den ganzen Erdball geführt, stets mit offenem Portefeuille, beauftragt, die Sorgen seiner Präsidenten und seine persönliche Erfahrung an die Unruheherde der Welt zu tragen. Daß er sich dafür entschieden hatte, als Gastprofessor für Politik ein Frühjahrssemester in Park Forest zu verbringen — eine Zeit in der er die Aufzeichnungen ordnen wollte, welche die Grundlage seiner Memoiren bilden sollten — war ein Coup, der den Aufsichtsrat dieser wohlhabenden, aber im Wesen unbedeutenden Universität verblüfft hatte. Aber sie hatten ihre Skepsis beiseite geschoben und St. Claire die Isoliertheit garantiert, die er in Cambridge, New Haven oder Berkeley nie gefunden hätte.
    So ging die Rede.
    Und Peter Kastler dachte über die wesentlichen Punkte von St. Claires Geschichte nach, um sich selbst von seiner eigenen abzulenken. Aber nicht ganz. Im Augenblick waren die wichtigen Punkte seiner eigenen unmittelbaren Existenz so entmutigend, wie man sich das nur gerade vorstellen konnte. Vierundzwanzig Monate verloren, in akademischer Vergessenheit vergeudet. Zwei Jahre seines Lebens!
    Die Universität von Park Forest hatte seine Doktorarbeit mit acht zu einer Stimme verworfen. Die eine Gegenstimme war natürlich die seines Doktorvaters und als solche ohne Einfluß auf die anderen gewesen. Man hatte Kastler Frivolität vorgeworfen, bewußte Verzerrung historischer Fakten, oberflächliche Recherchen, zu guter Letzt sogar das Schlimmste — er habe verantwortungslos anstelle beweisbarer Daten schiere Erfindungen eingesetzt. Es gab daran gar nichts zu deuteln: Kastler hatte versagt; es gab keine Einspruchsmöglichkeit, denn sein Versagen war absolut.
    Aus schwindelnden Höhen war er in tiefe Niedergeschlagenheit abgesunken. Vor sechs Wochen hatte das Foreign Service
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