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Hacken

Hacken

Titel: Hacken
Autoren: Christoph Braun
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klumpen.
     
    Daraus ergibt sich die funktionale Arbeitskleidung für Garten, Wald und Flur. Der Kopf muss bedeckt sein, sonst setzt der Löß sich in den Haaren ab und bildet schon im Laufe eines Vormittags eine Kruste auf dem Schädel. Außerdem stechen sonst Bienen und Zecken. Diese Handschuhe hier schützen vor Schwielen und den Dornen der Distel. Nein, den eleganten Gärtner kann, ja darf es nicht geben. Wobei es Fotos des Permakultur-Gärtners Masanobu Fukuoka gibt, die ihn in japanischem Denim, mit Hut, Hemd und Halstuch zeigen. Die Silhouetten in modernisierter Tradition Japans könnten so in den Studios von Comme des Garçons oder Yohji Yamamoto entworfen worden sein. Doch das ist nur eine Ausnahme.
     
    Rasch zeigt sich: Hier macht der Grünmann Sinn. Er ist ganz Funktion. Stil ist nicht vorgesehen, so total ist das Funktionelle des Grünmanns. Der Versuch, bei regelmäßiger Arbeit hier draußen Stilvorgaben durchzudrücken, scheitert. Stil ist ein Spiel der Stadt. Stil wäre bei einem höheren Privatbudget zwar denkbar,doch viel Geld verdient hier niemand. Nicht in der Landarbeit und erst recht nicht mit ökologisch motivierter Landarbeit.
     
    Die Bergwanderschuhe sind fünfzehn Jahre alt. Sie erweisen sich als perfekte Gartenausrüstung, sie gleichen die ständigen Unebenheiten aus, sitzen gut und schützen vor herabfallenden Geräten. Das dunkelblaue Schlauchtuch auf den Kopf: Schön ist das nicht, praktisch schon. In diesem Outfit unterscheide ich mich allerdings doch wieder von den Gärtnerinnen und Gärtnern in Eilum. Sie kennen diese Unterscheidung nicht oder schon nicht mehr. Ihr Leben ist ja das Arbeiten da draußen. Zumindest bin ich so gut geschützt vor Dreck. Morgens hineinschlüpfen in den Grünmann, mittags hinausschlüpfen aus dem Grünmann: Ein Landarbeiter in Teilzeit.
     
    Es fällt mir leicht, in diese unvertraute Welt hineinzuwachsen. Denn nachmittags lebe ich ja mein vertrautes Leben und schreibe.

ANPFLANZEN
    Den Körper vorn über gebeugt, auf dem linken Fuß liegt die Anpflanzschale. Die linke Hand greift sich das Pflänzchen. In wenigen Wochen soll aus ihm ein ausgewachsener Eichblattsalat werden mit seinen gut fünfzig Zentimeter langen Blättern. Mit Hilfe des rechten Arms hat mein Handspaten bereits ein Loch von 25 cm Tiefe gegraben. Spaten rechts und Hand links drücken nun die Erde um die Jungpflanze an. Bei Trockenheit mit Wasser angießen.
     
    Das Anpflanzen ist die schönste Arbeit. Ich gestalte Land; ich sorge für die Pflanzen, die später in die Grüne Kiste Biancas wandern. Ein paar Leute in der Gegend hier werden sich davon ernähren! Die Vorstellung verwandelt Mühsal in Mumm.
     
    Trockenheit kommt schnell für eine Jungpflanze im Frühling: Norbert lässt den Wasserbottich am Gewächshaus volllaufen. Ich nehme die blaue und die grüne Gießkanne in die Hand, fülle sie, schreite zum Beet, und nun einmal, zweimal, dreimal, zweihundertachtundsechzigmal bewässern. Das Wasser trifft auf dem Boden in genau jenem Winkel auf, der es der Flüssigkeit ermöglicht, einmal rund um die Pflanze zu drehen. Schafft man eine Mulde beim Andrücken, erleichtert das das Vorhaben.
     
    Anpflanzen ist Bückarbeit. Angießen ist zunächst Erfrischungsarbeit, mutiert indes nach etwa einer Stunde zu Schlepparbeit. Die
Gewichte ganz unten an der Hand, zweimal zwanzig Liter werden bei jedem neuen Gang vom Wasserbottich zur Pflanze allmählich zur Last. Es ändert nichts daran. Das Anpflanzen ist die schönste Arbeit.

KICKER
    Ich bin so alt wie die Intel Corporation. Robert Noyce, den sie später den »Mayor Of The Silicon Valley« nennen werden, gründete den Chip-Giganten im Jahr 1968 in Kalifornien, was die Firma einen Lufthauch älter macht als mich. Zumindest, wenn ich mir vorstelle, wie lange ich, wie lange die Menschheit noch mit Computertechnologien zu tun haben wird. Noyce, ein Ingenieur aus Iowa, hatte den Integrierten Schaltkreis mit erfunden. Seine Innovation ermöglichte erst den modernen Personal Computer – und sein Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der Erfindung. In einer Zeit, in der Computer noch Hallen füllten, sah selbst das berühmte Massachusetts Institute Of Technology noch lange nicht die Zeit für die Miniaturisierung gekommen. Noyce schon.
     
    Die Geschichte des Robert Noyce wird zur Helden- und Antiheldengeschichte zugleich, wenn sie von einem Autoren wie Tom Wolfe geschildert wird. Sein Porträt »The Tinkerings Of Robert Noyce« erschien 1983 im
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