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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind
Autoren: Leena Lehtolainen
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Prolog
    A ls das Reihenfeuer begann, war ich gerade eingenickt. Ich erkannte das Geräusch der Kalaschnikows im Halbschlaf, und als ich die Augen öffnete, sah ich östlich der Straße Mündungsfeuer aufflammen, knapp einen Kilometer vor dem Panzerfahrzeug, das uns nach Kabul zurückbringen sollte.
    «Versuchen wir zu wenden?», fragte unser Fahrer, Unteroffizier Jere Numminen, seinen Vorgesetzten. Hinter uns war nichts als Dunkelheit. Die Schüsse trafen uns noch nicht, wohl aber die beiden Geländewagen vor uns. Auch sie transportierten Polizeibeamte aus den EU -Staaten, die an der Eröffnung der von EUPOL geförderten neuen afghanischen Polizeischule in der Nähe von Dschalalabad teilgenommen hatten.
    Bevor Major Lauri Vala antworten konnte, explodierte der erste Wagen unserer Kolonne, in dem die deutschen Polizeiausbilder Helmut Lindemann und Ulrike Müller saßen. Ihr Fahrer war ein junger Offizier, der mit Vornamen Sven hieß.
    Die Deutschen waren, so wie wir, in einem gepanzerten Geländewagen vom Typ RG - 32 unterwegs. Gewehrkugeln konnten ihm nichts anhaben, zumal die Schützen zu weit entfernt waren, um die optimale Feuerkraft zu erzielen. Also musste am Rand der angeblich sicheren Straße eine Bombe detoniert sein. Die vor uns fahrenden Franzosen hielten an, die Briten hinter uns setzten bereits zurück. Lauri Vala drückte sich den Helm fester auf den Kopf. Ich hatte meinen abgenommen, weil er mir über dem Hijab zu warm geworden war. Jetzt setzte ich ihn hastig wieder auf, obwohl mir seine Schutzwirkung fragwürdig erschien. Im Licht der Flammen nach der Explosion konnte man sehen, dass von dem französischen Wagen aus zurückgeschossen wurde.
    «Die haben nur eine Waffe», sagte Vala. Ich spürte das Gewicht meines Revolvers im Achselhalfter. Es drängte mich, zu den Deutschen zu rennen und nachzusehen, ob man noch etwas für sie tun konnte, doch das wäre glatter Selbstmord gewesen.
    Antti und meine Mutter hatten recht gehabt: Nur Verrückte gehen freiwillig nach Afghanistan. Ich hatte wie eine verantwortungslose Idiotin gehandelt, als ich mich bereit erklärt hatte, zur Eröffnung zu reisen. Nun würde ich meine Kinder Iida und Taneli womöglich nie mehr wiedersehen. Als Vala eine Maschinenpistole unter dem Sitz hervorholte und den Lauf durch die eigens dafür eingebaute Schießscharte schob, merkte ich, dass ich betete. Gleichzeitig begriff ich, dass ich nicht wusste, an welchen Gott ich mein Gebet richtete, an den der Christen oder an den des Islam. Der Letztere schien in diesem Landstrich mächtiger zu sein.
    Valas Gesicht war ausdruckslos, als er das Feuer eröffnete. Die Angreifer waren weit weg, und er schoss in erster Linie zur Abschreckung, verballerte aber sämtliche dreißig Patronen des Stangenmagazins. Auch die Franzosen hatten begonnen, die Angreifer unter Beschuss zu nehmen, und allmählich erloschen die Mündungsfeuer in der Ferne. Außerhalb der lodernden Flammen, die aus dem Wagen der Deutschen schlugen, lag die Welt wieder in undurchdringlicher Dunkelheit. Vala zog die MP aus der Schießscharte und suchte nach seinem Satellitentelefon. Bevor er den Code eintippen konnte, klingelte es.
    «Moose.» Das war Valas Codename. Er sprach auf Englisch weiter, offenbar handelte es sich bei dem Anrufer um den Fahrer des britischen Wagens, der hinter uns wartete. Albert Shaw, Vizepolizeichef bei New Scotland Yard, war der ranghöchste unter den Beamten, die an der Eröffnung der Polizeischule teilgenommen hatten.
    Während Vala sprach, reckte sich Numminen zur Ladefläche. Zur Standardausrüstung der Fahrzeuge gehörte neben Waffen, Notproviant und Wasser auch ein Minensuchgerät. Vala beendete das Gespräch abrupt. Ich sah, dass die Tür des französischen Wagens geöffnet wurde. Natürlich hatte auch der Fahrer der Franzosen ein Suchgerät.
    «Den Amis nach sollte die Straße in Ordnung sein. Das hatten sie auch den Franzosen bestätigt. Wie zum Teufel sind die Bomben hergekommen? Nicht aussteigen!», hielt Vala seinen Untergebenen zurück. «Wenn die Pariser Jungs ihr Leben riskieren wollen, nur zu. Ich ruf jetzt Baxter an.»
    Steve Baxter, Oberst bei den amerikanischen ISAF -Truppen, war für die Sicherheit unserer Delegation zuständig. Während des Telefonats mit ihm ließ Vala eine ganze Litanei englischer Flüche vom Stapel, mischte aber auch ein paar finnische darunter.
    Bisher war alles nach Plan verlaufen, und Vala hatte eiskalt und gelassen gewirkt, ein Typ, dem auch eine Polizistin
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