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Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Titel: Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
Autoren: Walter Kempowski
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Karl Heinz Bittel
Unsereiner heißt bloß Walter
    Es wäre ein Irrtum zu glauben, daß Dichter, diese als sensibel geltenden Wesen, besonders zartfühlend miteinander umgehen. Neid, Eifersucht, Ranküne sind ihnen ebenso wenig fremd wie anderen Berufsgruppen. (Warum bekommt ausgerechnet dieser Kollege einen Preis, und ich bin – wieder einmal – übergangen worden?) Nein, sieht und hört man nur genau hin, so wird deutlich, daß es auf diesem verminten Terrain von verdeckten Schmähungen, vergiftetem Lob bis hin zur offenen Beleidigung nur so wimmelt. Wobei die Lage nicht dadurch übersichtlicher wird, daß sich auch Heerscharen von Kritikern und Rezensenten auf diesem Feld tummeln. Bei all dem Treiben geht es um Positionen im Literaturbetrieb, die es zu erringen oder zu behaupten gilt, um das ranking, die knapp bemessenen Güter von Prestige und Aufmerksamkeit. Allemal ist es deshalb interessant und aufschlußreich, wenn Schriftsteller sich in gebündelter, öffentlicher Form über ihre Kollegen, lebende wie tote, äußern. In solchen Fällen verrät der Betreffende, indem er seine Vorlieben und Abneigungen
offenbart, vielleicht mehr, als ihm bewußt (und lieb) ist, über sich selbst als über die von ihm Porträtierten.
    »Umgang mit Größen« nannte Walter Kempowski seine kleine Galerie von Autorenporträts. Ein beziehungsreicher Titel – denn »Umgang«, das kann schließlich gute wie schlechte Gesellschaft bedeuten, und bei »Größen« ist der ironische Unterton wohl nur schwer überhörbar. Wonach bemißt sich Größe? Nach der Höhe der Auflagen? Nach der Anzahl der Preise? Nach der internationalen Verbreitung, dem weltweiten Ruhm? Neben den Klassikern früherer Jahrhunderte (zum Beispiel Sterne, Goethe, Flaubert) und der Moderne (Proust, Kafka, Joyce) finden sich in dieser Sammlung auch Auflagenkönige der Unterhaltungsliteratur wie etwa Karl May, Edgar Wallace, Agatha Christie und, ja – Simmel und Konsalik. Die literarische Landschaft ist ein weites Feld, auf dem sehr Unterschiedliches sprießt.
    Kempowski macht aus seinem Herzen keine Mördergrube, läßt recht unverhüllt erkennen, wem seine Sympathien gelten und wem nicht. Es fällt ihm sichtlich nicht leicht, seine ästhetische und politische Reizbarkeit (Feuchtwanger!) im Zaum zu halten. Einen Bonus erhält, wer Tagebuch geführt hat. Nichts liegt Kempowski ferner als eine »objektive« Würdigung der schreibenden Kollegen, ihn interessieren deren Macken und Marotten, Haar- und Barttracht, Eß- und Trinkgewohnheiten, Einkommensverhältnisse, Kleidervorlieben, Mißgeschicke,
Schicksalsschläge, Pathologisches, Todesarten. Und bei seinen Zeitgenossen notiert er, wie sie ihm begegnet sind: am Rand von Jurysitzungen, auf der Frankfurter Buchmesse, auf Tagungen oder zufällig im Hotel. Daß Thomas Bernhard (mit »nagelneuer Cordhose«) sich erhob, als Kempowski im Frankfurter Hof an dessen Tisch trat, hat er als »völlig in Vergessenheit geratene Höflichkeitsbezeigung« registriert, und daß Günter Grass, mit dem ihn wenig verbindet, ihn einmal »Kempi« genannt hat, nahm er ihm gut. In Bargfeld mußte er erfahren, daß mit Arno Schmidt, den er verehrte, nicht gut Kirschenessen war. (»Gott, wie hat er mich abfahren lassen, und ich wollte ihm doch nur etwas Freundliches sagen.«) Und an Uwe Johnson (»schwarze Lederjacke, schwarzer Lederschlips«), dem Pommer, fürchtete er dessen Grobianismus: »Bloß kein falsches Wort sagen, dachte ich, sonst haut er dir noch einen an den Ballon.«
    Nahezu durchgängig wird protokolliert, welche Preise die jeweilige »Größe« erjagt hat oder – mit einer gewissen Schadenfreude – an welchen Autoren der Literaturnobelpreis mal wieder haarscharf vorbeigegangen ist. Im Fall von Martin Walser zählt Kempowski mit masochistischem Behagen die lange Liste von Preisen, Ehrendoktorwürden, Verdienstkreuzen, Orden und Gastdozenturen auf. (»… auf Platz sieben der fünfhundert wichtigsten Deutschen des Jahres. Dann kann er doch so ganz falsch nicht liegen.«) Hier wird (wieder einmal) spürbar, daß Kempowski
zu Zeiten sich zurückgesetzt, zu kurz gekommen, vom Literaturbetrieb schlecht behandelt fühlte. Obwohl sich seine eigene Bilanz, genau betrachtet, doch sehr ansehnlich ausnimmt. Mehrere USA-Aufenthalte, Ehrungen in großer Zahl, eine lange Liste von Preisen. Wohl wahr, der Büchner-Preis ging an ihm vorbei (und das hat an ihm genagt), aber wer hat den in den letzten zwanzig Jahren nicht alles bekommen. So
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