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Tod Eines Mäzens

Titel: Tod Eines Mäzens
Autoren: Lindsey Davis
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I
     
     
    Dichten sollte eine ruhige Beschäftigung sein, bei der einem nichts zustößt.
    »Nimm deine Schreibtafeln mit in unser neues Haus«, schlug Helena Justina vor, meine kultivierte Lebenspartnerin. Ich kämpfte noch mit dem Schock und der körperlichen Erschöpfung nach einer dramatischen unterirdischen Rettungsaktion. In der Öffentlichkeit hatten die Vigiles den Ruhm dafür eingestrichen, aber ich war der bekloppte Freiwillige gewesen, der sich kopfüber an Seilen in den Schacht hatte hinabsenken lassen. Das hatte mich für etwa einen Tag zum Helden gemacht, und ich war namentlich (falsch geschrieben) im Tagesanzeiger erwähnt worden. »Setz dich einfach in den Garten, und ruh dich aus«, besänftigte mich Helena, nachdem ich mehrere Wochen lang in unserer römischen Wohnung auf und ab getigert war. »Du kannst die Arbeiten am Badehaus überwachen.«
    »Das kann ich nur, wenn diese faulen Kerle endlich mal auftauchen.«
    »Nimm die Kleine mit. Ich komme vielleicht auch – wir haben inzwischen so viele Freunde im Ausland, dass ich an den Gesammelten Briefen der Helena Justina arbeiten sollte.«
    »Unter deinem Namen?«
    Was – dem einer Senatorentochter? Die meisten sind zu dumm und zu sehr damit beschäftigt, ihren Schmuck zu zählen. Keine wurde je ermutigt, mit ihren literarischen Fähigkeiten an die Öffentlichkeit zu treten, vorausgesetzt, sie besitzen welche. Aber man setzt ja auch nicht voraus, dass sie mit Privatermittlern zusammenleben.
    »Wird höchste Zeit«, erwiderte sie energisch. »Die meisten veröffentlichten Briefe stammen von blasierten Männern, die nichts zu sagen haben.«
    Meinte sie das ernst? Schrieb sie heimlich Liebesgeschichten? Oder zog sie nur am Seil meines Flaschenzugs, um zu sehen, wann es mich zerriss? »Na gut«, meinte ich milde. »Setz du dich in den Schatten einer Pinie mit deinem Stilus und deinen hochfliegenden Gedanken, Schätzchen. Ich kann derweilen gern hinter unserer süßen Tochter herrennen und gleichzeitig diese unzuverlässigen Bauarbeiter überwachen, die unseren neuen Dampfraum zerstören wollen. Und wenn zwischen dem Schreien und dem Steineschneiden mal eine Pause eintritt, kann ich rasch meine eigenen kleinen Oden hinschmieren.«
    Jeder Möchtegernautor braucht Ruhe und Frieden.
     
    Es wäre wunderbar gewesen, den Sommer so zu verbringen, der Hitze der Stadt zu entfliehen und in unserem geplanten neuen Haus auf dem Juniculum zu sitzen – bis auf eines: Unser neues Haus war eine Bruchbude, unsere Tochter war im Trotzalter, und die Dichtkunst verleitete mich zu einer öffentlichen Lesung, was schon töricht genug war. Das brachte mich in Kontakt mit der Chrysippus-Organisation. Alles im Geschäftsleben, das wie ein sicheres Angebot aussieht, kann ein Schritt auf dem Leidensweg sein.

II
     
     
    Ich muss verrückt gewesen sein. Vielleicht auch noch betrunken.
    Warum hatten mich die kapitolinischen Götter nicht beschützt? Na gut, ich gebe zu, dass Jupiter und Minerva mich wahrscheinlich als ihren allerunwichtigsten Diener betrachteten, ein bloßer Sklave einer Pfründe, ein Pöstcheninhaber, ein Karrieremacher, und dazu auch noch ein halbherziger. Aber Juno hätte mir da raushelfen können. Juno hätte sich wirklich aufraffen können, statt lässig auf dem Ellbogen zu lehnen und olympische Brettspiele mit Heldenquälerei und Ehemannverfolgung zu spielen; die Königin des Herzens hätte den Würfel lange genug still halten können, um zu bemerken, dass dem neuen Prokurator ihrer heiligen Gänse eine unmögliche Panne in seinem ansonsten so glatt laufenden Gesellschaftsleben passiert war: Ich hatte mich dummerweise bereit erklärt, die Vorgruppe zur Dichterlesung eines anderen abzugeben.
    Mein Schriftstellerkollege war ein Senator im Rang eines Konsuls. Eine Katastrophe. Er würde davon ausgehen, dass seine Freunde und Verwandten auf bequemen Bänken saßen, während meine sich in die paar Zoll der Stehplätze quetschten. Er würde den größten Teil der Lesezeit für sich beanspruchen. Und statt mich tatsächlich als Vorgruppe zu benutzen, würde er als Erster lesen, solange das Publikum noch wach war. Darüber hinaus war er garantiert ein absolut grausiger Dichter.
    Ichspreche von Rutilius Gallicus. Genau. Dem Rutilius Gallicus, der eines Tages Stadtpräfekt sein würde – des Kaisers Vertreter für Ruhe und Ordnung, Domitians Muskelbubi, der große Mann, der heutzutage von der Bevölkerung so geliebt wird (wie uns jene weismachen, die uns sagen, was
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