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Das Geheimnis von Compton Lodge

Das Geheimnis von Compton Lodge

Titel: Das Geheimnis von Compton Lodge
Autoren: Peter Jackob
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II. Geistanregende Kälte
    Der Januar des Jahres 1899 war der wohl kälteste Wintermonat während unserer gemeinsamen Zeit in der Baker Street. Erst seit wenigen Tagen war ich von einem schweren Fieber genesen, das mich beinahe zwei Wochen ans Bett gefesselt hatte. Holmes hatte einige Nächte neben meiner Schlafstätte zugebracht und widmete sich meiner Genesung mit einer solch ungeheuren Ausdauer, als handelte es sich um den vertracktesten Fall seiner Karriere. Nun war ich kurz davor, die Arbeit in meiner Praxis wieder aufzunehmen. Allerdings hatte ich mich mit meinem behandelnden Kollegen, Dr. Hunter, darauf verständigt, noch eine Woche mit viel Schlaf, nahrhaftem Essen und ausgiebigen Spaziergängen zu verbringen. Dass ebendiese Woche nun eine der aufreibendsten und schockierendsten meines Lebens werden würde, war an jenem Samstagmorgen noch in keiner Weise abzusehen.
    Ich saß am Frühstückstisch in unserem gemeinsamen Wohnraum, den Mrs. Hudson freundlicherweise vorab schon auf eine angenehme Temperatur gebracht hatte, als die Tür aufschwang und Holmes dick vermummt, mit schwerem Mantel bekleidet, das Zimmer betrat.
    Â»Watson!«
    Â»Ja, Holmes?«
    Â»Wie fühlen Sie sich heute Morgen?«
    Â»Ich kann nicht klagen. Mir ist zwar trotz Kamins und Morgenmantels kalt, aber das dürfte weniger meiner Konstitution als der eisigen Polarluft zuzurechnen sein, die uns derzeit heimsucht.«
    Â»Es ist tatsächlich nicht warm, aber diese klirrende Kälte hat doch etwas durchaus Erfrischendes.«
    Â»Erfrischendes, Holmes?«
    Â»Watson, unsere lieben Mitbürger überlegen sich bei solchen Bedingungen genau, was sie tun. Es gibt kaum jemanden, der grundlos herumläuft oder sinnlose Gespräche zu führen versucht. Demzufolge reduziert sich die plagende Geistlosigkeit auf ein erträgliches Maß. Ich hoffe, dass uns noch Wochen, nein, Monate mit diesen wunderbaren Temperaturen bevorstehen.«
    Ich hatte schon zu einer feurigen Gegenrede ansetzen wollen, als ich den funkelnden Blick meines Freundes erhaschte.
    Â»Nun, dann schlage ich Ihnen vor, Sie drehen draußen noch eine weitere kleine Runde, genießen die geistanregende Kälte und erwarten mich in einer halben Stunde an der Tür zu unserem gemeinsamen Parkspaziergang.«
    Â»Bravo, Watson. Touché.«
    Holmes ging nicht weiter auf meine Anregung ein, kam näher und warf Mantel, Schal und Handschuhe auf den Stuhl seines Experimentiertischs. Er setzte sich zu mir, füllte sich meine Kaffeetasse und leerte sie in einem Zug.
    Â»Aber wenn ich es mir recht überlege, bevorzuge ich eine Tasse Bohnenkaffee und die etwas beschränkten Kochkünste von Mrs. Hudson.«
    Er sah vom Tisch auf und mich an. Sein Blick wanderte zu meiner Stirn und verharrte dort, als suchte er in mich hineinzuschauen.
    Â»Holmes?«
    Er reagierte nicht. Ich wartete einen Augenblick und sprach ihn dann erneut an.
    Â»Ja doch, Watson. Was haben Sie denn?«
    Â»Was ich habe? Sie observieren mich, als wäre ich ein zu extrahierendes Geschwulst.«
    Â»Watson, sagt Ihnen Compton Lodge etwas?«
    Â»Compton Lodge?« Ich überlegte. »Nein, nicht, dass ich wüsste.«
    Â»Nicht, dass Sie wüssten? Und was sagt Ihnen das verschwundene Zimmer?«
    Â»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
    Ich stand auf, um mich für unseren gemeinsamen Spaziergang fertig zu machen.
    Â»Watson! Das verschwundene Zimmer.«
    Ich ging in meinen Wohnraum. Als ich kurz danach wieder zurück war, stand mein Gefährte schon angekleidet in der Tür.
    Â»Kommen Sie, ich muss Ihnen etwas zeigen«, sagte er und verließ den Raum.
    Sein Tatendrang überraschte mich, denn nichts deutete auf einen neuen Fall hin. Als ich wenig später in die Baker Street hinaustrat, wartete er bereits auf der gegenüberliegenden Straßenseite und winkte mir zu. Sein Verhalten kam mir sonderbar vor. Ich versuchte keinen weiteren Gedanken daran zu verschwenden und überquerte die Straße. Wir liefen in Richtung Park Road und fanden uns wenige Minuten später im Regent’s Park wieder. Holmes schien etwas zu beschäftigen. Unser Gespräch verlief stockend, er wirkte beinahe desinteressiert. Mit einem Mal blieb er stehen und sah sich suchend um.
    Â»Wären Sie bitte so freundlich und würden mir erklären, was mit Ihnen los ist?«
    Er schaute mich an. Sein Blick glitt prüfend an mir herunter, dann
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