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Tod Eines Mäzens

Titel: Tod Eines Mäzens
Autoren: Lindsey Davis
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wir zu denken haben). Vor zwanzig Jahren, zur Zeit unserer Lesung, war er nur ein x-beliebiger alter Exkonsul. Damals saß immer noch Vespasian auf dem Thron. Als dessen Legat in Tripolitanien hatte Rutilius vor kurzem einen Grenzstreit beigelegt, was immer auch davon zu halten war (nicht viel, außer man hatte das Pech, in Leptis Magna oder Oea zu leben). Er hatte sich noch nicht für den Statthalterposten in einer Provinz qualifiziert, war noch nicht berühmt für seine germanischen Heldentaten, und niemand hätte je erwartet, dass er selbst einstmals der Gegenstand heroischer Dichtung werden würde. Eine Berühmtheit in Wartestellung. Ich hielt ihn für einen freundlichen Menschen mit mäßiger Begabung, einen Provinzler, der sich gerade mal daran aufrecht hielt, eine Senatorentoga zu tragen.
    Falsch, Falco. Er war mein Freund, wie es schien. Ich betrachtete diese Ehre mit großer Vorsicht, da ich schon zu dem Zeitpunkt den Eindruck hatte, dass er sich bei Domitian einschleimte, unserem am wenigsten geliebten kaiserlichen Prinzlein. Rutilius schien zu glauben, das würde ihm Vorteile einbringen. Ich wählte meine Kumpel sorgfältiger aus.
    Zu Hause bei seiner matronenhaften Frau, die aus seiner eigenen Heimatstadt stammte – Augusta Taurinorum in Norditalien –, und bei seiner Familie, wie immer die auch aussehen mochte (wie sollte ich das wissen? Ich war nur ein vor kurzem beförderter Ritter; er mochte sich mit mir als Leidensgenossen im Exil angefreundet haben, als wir uns im entlegenen Afrika getroffen hatten, aber in Rom würde ich nie in sein Haus eingeladen werden, um seine edle Verwandtschaft kennen zu lernen), zu Hause wurde der fröhliche Gallicus wahrscheinlich Gaius oder so gerufen. Ich war nicht dazu berechtigt, sein Praenomen zu benutzen. Und auch er würde mich nie Marcus nennen. Ich war Falco; für mich würde er »Herr« bleiben. Ich wusste nicht, ob er den versteckten Spott in meinem respektvollen Ton bemerkte. Ich trug nie zu dick auf, wollte mir nichts zu Schulden kommen lassen. Außerdem, falls er tatsächlich Domitians Busenfreund wurde, wusste man nie, wohin Speichelleckerei führen konnte.
    Tja, einige von uns wissen es jetzt. Aber damals hätte niemand vermutet, dass Rutilius Gallicus es mal zu Gunst und Ehren bringen würde.
     
    Einer der Vorteile, sich die Bühne mit einem Patrizier zu teilen, lag darin, dass er einen eindrucksvollen Vortragsort wählte. Unsere Bühne war nichts Geringeres als die Gärten des Maecenas – diese luxuriösen Spazierwege an der Rückseite des Oppius, quer durch die alten republikanischen Stadtmauern, angelegt auf den uralten Begräbnisstätten der Armen. (Eine Menge Dünger in situ , wie Helena bemerkte.) Jetzt befanden sich die Gärten im Windschatten des neueren Goldenen Hauses, waren weniger gepflegt als früher, existierten aber noch und gehörten der kaiserlichen Familie, seit Maecenas vor siebzig Jahren gestorben war. In der Nähe stand ein Pavillon, von dem aus Nero angeblich das Wüten des Großen Feuers beobachtet hatte.
    Maecenas war Augustus’ berüchtigter Finanzier: Geldbeschaffer für Kaiser, Freund berühmter Dichter – und ein rundherum wirklich abscheulicher Perverser. Doch wenn ich jemals einen etruskischen Edelmann finden sollte, der mich zum Essen einlud und meine Dichtkunst förderte, würde ich mich wohl damit abfinden können, dass er hübsche Jungs betatschte. Vermutlich gab er auch ihnen zu essen. Jedes Patronat ist eine Art Zuhälterei. Ich hätte mich fragen sollen, welche Dankesbezeigungen Rutilius von mir erwartete.
    Nun ja, unsere Situation war anders, sagte ich mir. Mein Patron war ein wohlerzogener flavischer Tugendbold. Aber kein Tugendbold ist perfekt, zumindest nicht aus der Sicht der aventinischen Plebs, in der Charakterfehler sprießen wie Schimmel in schlecht gepflegten Badehäusern, in rüpelhaften Familien wie meiner Verheerung anrichten und uns mit der hochmütigen Elite in Konflikt bringen. Warum ich so drauf rumhacke? Weil Gallicus’ großer Augenblick in Tripolitanien darin bestanden hatte, die öffentliche Hinrichtung eines Säufers anzuordnen, der die örtlichen Götter beleidigt hatte. Zu spät hatten wir entdeckt, dass der glücklose Schreihals, der von dem Löwen gefressen wurde, mein Schwager war. Rutilius musste unsere gemeinsame Lesung wohl aus Schuldgefühl mir gegenüber, seinem damaligen Hausgast, finanzieren.
    Besorgt fragte ich mich, ob meine Schwester ihre Witwenschaft durch einen Besuch der
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