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Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion
Autoren: Wolfgang Metzner
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schrieb.
    »Dies ist die Geschichte eines Staatsfeinds«, tippte er mit wunden Händen, »er heißt nicht ›Grüne Armee Fraktion‹, trägt kein Kapuzenshirt und keine Sturmhaube. Er kleidet sich in elegante Anzüge, ist auf dem Parkett der Macht zu Hause und kommt abends auf dem Fernsehschirm in unsere Wohnzimmer. Aber er ist Teil einer tödlichen Verschwörung, die an einem Kamin in einer Berghütte begann, in einer exklusiven Runde von Herren, die keinen Wert darauf legten, dass ihnen jemand zuhört …«
    Mondrian achtete nicht auf seine schmerzenden Finger. Er gab sich auch keine Mühe, kunstvolle Sätze zu schmieden. Er wollte eine einfache Geschichte über die Wahrheit erzählen. Die Wahrheit, dass sich hinter einer Wahrheit oft eine andere verbarg. Wie verstörend einfach es war, die Menschen in die Irre zu führen, wenn sie bloß die eigenen Erwartungen und Vorurteile bestätigt haben wollten. Wie leicht der Staat mit dem Gewicht seiner Macht die gesamte Medienmaschine manipulieren konnte, das »magazine« inbegriffen. Und wie er selbst geschwankt hatte, bis er herausfand, was hinter der Maske steckte: eine wahnwitzige Operation mit bezahlten Killern, um einen politischen Rufmord zu inszenieren.
    Während draußen die Dämmerung die Stadt in ein milchiges Zwielicht hüllte, erzählte Mondrian von der Wohngemeinschaft im Schanzenviertel. Vom überdrehten Speedy und der naiven Angel, vom kranken Gandhi und einer zornigen Ricarda Walde, die mit ihrer kämpferischen Pose zuerst ins Visier des Verfassungsschutzes geraten war. Er schilderte, wie die Gruppe mit kühler Berechnung zum Zielobjekt eines Komplotts aufgebaut worden war, dem merkwürdig gegensätzliche Figuren angehört hatten: ein zwielichtiger Professor, ein V-Mann, der jetzt seinen Gott um Vergebung bat, und ein Staatssekretär, der zum Diener des Teufels geworden war.
    Was hatte Bussung angetrieben? Wie sah das Innere dieses Mannes aus, der von abgründigem Hass auf grüne Ideen und dazu von Überwachungswahn erfüllt war? Das schien am schwersten zu beantworten, als Mondrian Zeile für Zeile versuchte, sich ihm zu nähern. Im Netz gab es eine Menge Fotos von Bussung. Der Fitnessfanatiker auf dem Rennrad. Der Asket am Arbeitsplatz. Der Aufsteiger in der Regierung. Warum war er nie mit einem Lächeln zu sehen?
    Nach zwei Stunden stand Mondrian erschöpft auf und ging zur Pantry, um sich Tee zu brühen. Diesmal nahm er zwei Beutel für einen Becher. Und ein Extrastück Zucker. Bitter nötig, dachte er, als er sich im Toilettenraum im Spiegel betrachtete. Die Augen unter den zerwühlten Brauen lagen noch tiefer als sonst in den Höhlen, die Falten hatten sich weiter in die Wangen gegraben, und auch der Stoppelbart war nicht schöner geworden. Er schmiss sich eine Handvoll Wasser ins Gesicht und strich die Haare aus der Stirn, die noch vom Hafendreck verklebt waren.
    Nachdem er sich wieder an den Computer gesetzt und festgestellt hatte, dass selbst lauwarmer Bürotee besser schmeckte als kaltes Elbwasser, suchte er im Netz nach einem Schlüssel zu dem Mann, der seine Killer auf ihn gehetzt hatte. Aber als Privatperson schien Bussung ein fast unbeschriebenes Blatt zu sein. Selbst in der Online-Datenbank des »magazine« mit Hunderten von Quellen fand Mondrian keine Homestorys. Nirgendwo Berichte über eine Frau, eine Beziehung oder Kinder. Null Klatsch oder Affären. Einzig ein vager Hinweis auf einer dubiosen Website, dass er als Student zeitweise einem christlichen Orden angehört habe und danach in einer psychiatrischen Klinik behandelt worden sei. Dazu existierten keinerlei Belege, aber immerhin war das ein Ansatz für weitere Recherchen. Viel Arbeit in den nächsten Tagen, fürchtete Mondrian, rieb sich die Augen und gähnte. Nur der Schock der letzten Stunden hielt ihn noch wach.
    Es war kurz nach sieben Uhr, als er die letzten Zeilen für heute eintippte. Draußen riss der Himmel auf, und das dunstige Grau machte Platz für ein paar blaue Flecken. Er trat ans Fenster und schaute nach unten. Eigentlich hätte sich jetzt die gewaltige »Queen Mary 2« die Elbe hinaufschieben sollen. Aber die Hafen-City, wo sonst immer Horden von Schaulustigen das majestätische Kreuzfahrtschiff begrüßten, wirkte wie ausgestorben. Das Cruise Center, an dem der Gigant eigentlich hatte anlegen sollen, schien menschenleer, als wäre es wegen eines gefährlichen Virus unter Quarantäne. Offenbar hatte man das Schiff zu einem Ausweichplatz gelotst.
    Soweit er aus dem
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