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Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion
Autoren: Wolfgang Metzner
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nach oben flüchten. Die Verfolger kamen immer näher. Sie ereichten die ersten Sprossen der Leiter. Weitere Querschläger schwirrten um ihn herum.
    Als direkt vor ihm ein Container von einem Greifer gepackt wurde, um auf die »Kowloon« versetzt zu werden, hechtete er hinterher. Bekam eine Strebe an der Box zu fassen. Schoss mit ihr über ein Dutzend Meter hoch, als sie in die Luft gehievt wurde. An die Metallkiste geklammert, schwebte er unter dem Ausleger der Brücke über die Kaimauer, hinaus über die Gangway des Frachters, über die ganze Breite des Schiffs bis zur äußeren Bordwand. Von tief unten starrte ihn der Schiffsbauch an, als der Greifer den Container abzusenken begann. Kein Zweifel, er würde im Laderaum zerquetscht werden, wenn er an der Stahlkiste hängend dort landete.
    Die Winden heulten lauter, der Aufprall kam näher. Gleichzeitig krachten Schüsse. Er holte mit den Beinen Schwung und katapultierte sich hinaus ins Dunkle, in Richtung Wasser.
    Der Fall schien endlos.
    Der Aufprall war so hart, als müssten alle Knochen brechen.
    In Sekunden sog sich seine Kleidung voll, er sank.
    Verzweifelt wollte er nach Luft schnappen und schluckte brackiges Schwarz. Für einen wundervollen Moment sah er das Flackern in Ricardas Augen. Dann umgab ihn nur noch nasse Finsternis.

47
    Hafen, Hamburg
     
    Erst ganz schwach, dann langsam stärker spürte er, wie von weit her eine furchtbare Kälte in ihm hochkroch. Er wusste nicht, wie lange er bewusstlos gewesen war, aber offenbar war das sein Körper, der da so unkontrolliert zitterte.
    »Mensch, du hast es aber spannend gemacht«, sagte eine vertraute Stimme ganz nahe.
    Er schlug die Augen auf und sah Thomas Daffner über sich gebeugt, das Gesicht in flackerndes Blaulicht getaucht. Sanitäter schoben ihn auf einer Trage in einen Rettungswagen, der an der Kaimauer stand.
    »Wie habt ihr mich da rausbekommen?« Seine Lippen fühlten sich starr an, und es machte ihm Mühe, zu sprechen.
    Daffner hockte sich neben ihn und wrang Mondrians tropfende Jacke aus. »Ich hab vorsorglich zwei Taucher von der GSG 9 mobilisiert, weil ich mir schon dachte, dass es ein nasser Einsatz werden könnte.«
    Das T-Shirt klebte so fest am Körper, dass zwei Helfer Mühe hatten, es ihm über den Kopf zu ziehen.
    »Hat es wenigstens funktioniert? Habt ihr alles mitgehört?« Mondrian riss sich die Haftstreifen von der Haut, mit denen Mikrofone, Kabel und ein Sender befestigt waren.
    »Und ob!« Daffner wischte die feuchten Apparate ab, packte sie ein und reichte Mondrian eine Decke. »Dein Boxenstopp bei uns in Wiesbaden hat sich gelohnt. Wir hatten schon nach der Hälfte der Zeit genug Zeug, um Bussung dranzukriegen. Aber wir waren noch zu weit weg für den Zugriff. Du hättest früher abbrechen sollen. So ein Quatsch, dieses Risiko einzugehen.«
    »Mhm.« Mondrian war zu kraftlos, um zu widersprechen.
    »Was, wenn die Taucher dich nicht erwischt hätten?«
    Mondrian trank einen Schluck heißen Kaffee. Seine blauen Lippen schafften ein leichtes Grinsen.
    »Tja, als Journalist würde ich sagen, dann hätte ich den Fall tot recherchiert.«
     
    Es war noch ziemlich dunkel, als er gegen vier Uhr den Media Tower erreichte. Der hohe Glaskasten lag fast unbeleuchtet in der schlafenden Hafen-City, und am Empfang traf er nur einen einsamen Pförtner an, der müde hinter einer Phalanx von Monitoren saß. Der Mann blickte flüchtig auf, als Mondrian mit seiner Chipkarte das Drehkreuz am Eingang entriegelte und zu den Aufzügen ging.
    Im fünfzehnten Stock schloss er seinen Raum auf und schaltete den Laptop ein. Kein klingelndes Telefon. Keine hektischen Konferenzen. Keine Kollegen, die auf der Jagd nach dem neuesten Flurfunk durch die Gänge strichen. Er war ganz allein mit ein paar Mördern, zwei Cracksüchtigen und einem Rocker, die ihm über die Schulter schauten: Fotos von früheren Reportagen, an die Wand hinter ihm geklemmt. Sonst gab es fast nichts in seinem Zimmer, was den Blick festhielt, nicht mal eine Topfpflanze, die etwas Grün in das Grau brachte. Auch auf dem Tisch vor ihm lagen außer dem unvermeidlichen Terminkalender und Kathys buntem Adressbuch nur wenige Stifte und Papiere. Seine Strategie, den Kopf frei zu halten. Für manche eine Macke, aber damit konnte er leben. Er wollte nichts vor sich haben, was ihn ablenkte, sondern eine Tabula rasa, wenn der Moment kam, einen neuen Text zu beginnen. So wie jetzt, als er ein leeres Dokument aufmachte und sofort die ersten Zeilen
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