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Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion
Autoren: Wolfgang Metzner
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stieg in ihm auf, als er an ihre Kampagnen dachte. Damit hatten sie es tatsächlich geschafft, dass Forschungsgelder von Staat und Industrie zusammengestrichen worden waren. Was zur Stilllegung des zweiten Reaktors bei der GKSS geführt hatte. Und dieser Kreuzzug ging immer weiter. Bis heute gab es Drohungen gegen Ingenieure, die hier arbeiteten. War ihm selbst nicht gerade blanker Hass entgegengeschlagen, als er in einem Dorf auf der anderen Elbseite als Angestellter der Forschungsanlage erkannt worden war?
    Niemann bog in einen weiteren Gang und näherte sich der Schleuse. Wenigstens lief der FRG-1 noch, der Reaktor, mit dem nun Materialprüfungen gemacht wurden. Eine neue Dimension der Forschung, bei der die GKSS an der Weltspitze stand. Wenn nur nicht plötzlich, nach Fukushima, die ganze Atomenergie in Frage gestellt würde. Erst hatte man beschlossen, die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern, nun sollten sie wegen der Katastrophe in Japan alle nacheinander abgeschaltet werden – sogar seinem Forschungsreaktor bei der GKSS drohte das Aus. Aber immerhin gab es dann noch beim Rückbau der Meiler und bei der Beseitigung des strahlenden Mülls Arbeit für viele Jahre, im Bergwerk Asse etwa, in Gorleben oder in einem anderen Lager. Vielleicht sogar einen besseren Job?
    »Treten Sie näher heran!«
    Die digitale Stimme holte ihn aus seinen Gedanken. Sie kam aus einer Box, die einer Duschkabine ähnelte.
    Er stellte sich hinein und hob die Arme, damit Sensoren abtasten konnten, ob er Spuren von Strahlung an sich trug.
    »Elf, zehn, neun, acht …«
    Die weiblich klingende Stimme zählte die Sekunden, in denen Körper und Kleidung auf Kontamination gescannt wurden. Niemann musste sich um seine Achse drehen. Bei »null« öffnete sich eine automatische Tür.
    Erleichtert atmete er auf, als er in den Umkleideraum hinaustreten konnte. In der engen und heißen Kabine hatte er feuchte Hände bekommen. Er streifte rasch den weißen Kittel ab und warf die Überschuhe in eine Tonne. Dann stieg er zwei Treppen hoch und betrat den Leitstand, wo das Kommandozentrum der Atomanlage war.
    »Alles im grünen Bereich?«
    Der Reaktorfahrer drehte sich kurz um und nickte. Der Mann mit dem wulstigen Nacken saß vor einer Batterie von Schalttafeln und Pulten mit unzähligen Knöpfen und schaute gelangweilt auf die Zahlenkolonnen, die über die Monitore glitten. Neben ihm beobachtete ein Techniker Bildschirme mit farbigen Kurven, ohne dass ein Wort fiel. Nur das Summen der Computer war zu hören; es klang, als wäre ein Insektenschwarm in einem Käfig gefangen.
    »Gut.« Niemann nahm das oberste Blatt von einem Dokumentenstapel, warf einen prüfenden Blick darauf und legte es dann neben das Logbuch, in dem der Operator alle Steuerbefehle eintrug. »Das wird unseren Besuch freuen.«
    »Welchen Besuch denn?« Der Mann am Schaltpult zog misstrauisch die Stirn in Falten.
    »Die hohen Herren, die morgen aus Kiel anreisen. Die Atomaufsicht«, antwortete Niemann mit einem Anflug von Spott in der Stimme. »Kontrolle durch das Ministerium, Punkt zehn Uhr. Weil irgendwelche Grünen behauptet haben, dass die Abluft aus der Halle vor fünf Tagen mit Radioaktivität belastet war.«
    »Sollen die Bürokraten doch in den Messdaten wühlen, bis sie schwarz werden.« Der Reaktorfahrer winkte ab und schob seinen Kaugummi in die andere Wange. »Wie hätten wir das übersehen können? Oder womöglich noch vertuschen? Wo wir jetzt jede ausgefallene Glühbirne nach oben melden müssen?«
    Niemann gab keine Antwort. Er war es leid, sich über die Vorschriften zu ärgern, die jeden Monat umfangreicher wurden. »Ich mach jetzt mal Schluss. Geh noch ‘ne Runde joggen.«
    »Wie jeden Dienstag.«
    »Ganz genau. Täte dir auch gut.«
    »Mir? Willst du mich umbringen?« Der Reaktorfahrer klopfte sich auf seinen kleinen Bauch, als ob er darauf stolz wäre. »Sport ist doch …«
    »… Mord«, fiel ihm Niemann ins Wort, »danke, hab ich schon öfter gehört. Und immer von Leuten, die selbst den Arsch nicht hochkriegen.« Lächelnd hob er die Hand zum Abschied.
    An der Pforte wachte ein uniformierter Posten in der Panzerglas-Kabine. Niemann legte sein Dosimeter in einer Halterung ab und hielt seinen Ausweis an das Lesefenster des »Identix«-Automaten. Dann checkte »Touch Lock II« seinen Fingerabdruck. Die Schiebetür glitt auf, und er trat nach draußen auf den Vorplatz, der nach den Anschlägen auf das World Trade Center mit meterhohen Zäunen und
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