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Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion
Autoren: Wolfgang Metzner
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nicht.« Riesling klang leicht beleidigt. Mit seinem gelben Schlips putzte er seine etwas altertümliche Hornbrille. »Er hat aber gute Argumente auf seiner Seite, wenn er vor dramatischen Fehlentwicklungen warnt. Man muss doch auch mal die wirtschaftliche Seite betrachten …«
    Mondrians Blick wanderte zu den grünen Digitalbuchstaben gegenüber, die pausenlos die Börsenkurse von Tokio bis New York vorüberziehen ließen. Die helle Stimme des Kulturchefs hörte er wie aus dem Off.
    »Also, wenn mal was Leichtes ins Blatt soll«, sagte der korpulente Mittdreißiger in dezent tuntigem Tonfall, »dann hab ich hier sechs junge Schauspielerinnen, die ihre ersten lesbischen Erfahrungen beichten.« Mit ausgestreckten Armen hielt er sechs Fotos in die Höhe, als wollte er Jagdtrophäen präsentieren.
    »Nicht schon wieder!« Das Stöhnen kam aus einer Ecke, in der mehrere Layouterinnen saßen.
    »Wieso denn nicht?« Der Chefredakteur richtete sich auf, als wollte er eine Palastrevolte unterdrücken. »Feuchtgebiete haben sich doch immer gut verkauft.«
    Übergangslos schaltete er sein George-Clooney-Lächeln an, wie immer wenn er sich zur Leiterin des Lifestyle-Ressorts hinüberneigte.
    »Und was tut sich bei Hofe, Madame?«
    »Neue Enthüllungen in Schweden, Eure Hoheit!« Vanessa von der Heyde war die Einzige, die es in dieser Runde wagte, den Chefredakteur hochzunehmen. Sie war ein Ex-Model und, wenn man dem hartnäckigen Flurfunk glauben wollte, auch eine »Ex« Grossers. Ihre siebenundvierzig Jahre sah man der brünetten Frau mit dem seidigen Haar nur an wenigen feinen Falten an. Botox hatte sie laut Redaktionsklatsch bisher hartnäckig verschmäht. Mondrian wusste aber wie die ganze Konferenz, dass sie beste Beziehungen zur Kosmetikindustrie pflegte. Kein Wunder, dass im Modeteil des »magazine« so viele Anzeigen für edles Parfüm und teure Cremes gebucht wurden. »Außerdem haben wir die neuesten Peinlichkeiten vom Fürstenhaus in Monaco. Die Paparazzi waren fleißig.«
    »Prima. Das drucken wir hinten im Heft. Falls uns die Anwälte nicht mit Schmerzensgelddrohungen bombardieren.« Grosser drehte sich zur anderen Seite des Tisches, wo der Leiter des Ressorts für besondere Einsätze saß. »Und wissen wir schon was über diesen gruseligen Fall in Geesthacht? Diese verkohlte Leiche, die heute früh in den NDR-Nachrichten kam?«
    »Da gibt es noch reichlich Rätsel.« Marc Rolfes, Leiter der »Task-Force«, kratzte sich den kahl geschorenen Schädel. Der Mittvierziger im schwarzen Rollkragenpullover sah aus, als trainiere er jeden Tag zwei Stunden an den Kraftmaschinen im Fitnessstudio des Media Tower. In der Redaktion wurde er »Cop« genannt, weil er für Polizeisachen zuständig war. »Für Blaulicht und Rotlicht«, wie er selbst manchmal spottete, »Kriminalfälle und Kiez.« Meistens war es sein Job, für die »Leiche der Woche« zu sorgen – Grosser wollte am liebsten in jeder Ausgabe einen Bericht über ein spektakuläres Verbrechen.
    »Von diesem Menschen in Geesthacht ist wohl nicht viel übrig geblieben. Knochenreste und verkohltes Fleisch. Offenbar ist das Opfer mit einem Brandbeschleuniger übergossen und dann angezündet worden.« Rolfes blätterte in Pressemitteilungen, die am Morgen von der Polizei gekommen waren. »Die Kripo geht davon aus, dass es sich um einen Ingenieur aus einer Atomforschungsanlage handelt. Sein Auto ist in der Nähe gefunden worden, samt Klamotten. Kollegen sagen, dass er joggen war.«
    »Politischer Hintergrund?«, fragte Grosser.
    »Laut Polizei nicht ausgeschlossen. Es soll immer wieder Anfeindungen gegen die Mitarbeiter der Nuklearanlagen in dieser Gegend gegeben haben, schon wegen des Pannenreaktors in Krümmel. Allerdings nie konkrete Drohungen.«
    »Und was ist da draußen mit ihm passiert?«
    »Möglicherweise wurde er zuerst bewusstlos geschlagen. Ein Obduzent prüft gerade, ob er noch lebte, als er verbrannt worden ist.«
    »Irgendwelche Fotos?«, wollte Grosser wissen.
    »Bisher nicht. Die Polizei hat natürlich welche. Und vielleicht hätten wir eine Connection in die Gerichtsmedizin, die uns was beschaffen könnte. Allerdings nicht umsonst.«
    »Crime pays.« Grosser setzte ein vieldeutiges Haifischgrinsen auf.
    »Merkwürdig ist, dass am Tatort ein Zeichen in einen Baumstamm geritzt wurde. Ein Kreuz vielleicht. Es könnte auch ein Stern oder ein X gewesen sein, das müssen wir noch klären …«
    »Sorry.« Die Chefsekretärin im anthrazitfarbenen
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