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Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion
Autoren: Wolfgang Metzner
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Bewegungsmeldern gesichert worden war.
    Nachdem er das letzte Drehkreuz passiert hatte, schaute er an dem roten Reaktorschlot hoch in den Himmel. Von Westen her zogen tiefe Wolken im Abendlicht heran.
    Perfektes Wetter, um sich den Kopf frei zu laufen.
    Er ließ seinen grauen Passat langsam über das weitläufige GKSS-Gelände zu einem Parkplatz vor der Anlage rollen. Dort wartete sie: seine Lieblingsstrecke. Mit einem Ruck löste er die Krawatte, wechselte in den Sportanzug und schnürte die ausgetretenen Schuhe, an denen noch getrockneter Schlamm vom letzten Lauf klebte. Dann setzte er seine Kopfhörer auf.
    »We will, we will rock you …«
    Schon bei den ersten Takten tänzelte er wie ein in die Jahre gekommener Boxer. Nur wenige seiner Kollegen wussten, dass er im Stillen Muhammad Ali bewunderte, und kaum einer ahnte, dass er ein heimlicher Fan alter Rocksongs war. Manchmal gebrauchte er sie wie eine Pille, die er zum Feierabend einwarf. Vor allem wenn er auf die Piste ging, ließ er sich gern von harten Gitarrenriffs antreiben. Gierig sog er die Luft in die Lungen, die nach feuchtem Laub und modernden Baumstämmen roch, und tauchte in einen grünen Tunnel ein.
    Trommelnde Schritte unter einem Dach aus Buchenblättern und Fichtenzweigen. Keuchender Atem an der ersten Anhöhe, wo ein Dschungel aus Farnen wuchs. Sein Shirt begann am Rücken zu kleben, Schweißperlen rannen ihm von der Stirn in die Augen.
    Als er fünfzehn Minuten unterwegs war, schien sein ganzer Körper zu dampfen. Er kam an Erdwällen vorbei, auf denen Büsche und Brennnesseln wuchsen, und passierte metertiefe Krater und bemooste Betonbrocken. Stumme Zeugen gewaltiger Detonationen. Spuren der Dynamitfabrik, die früher hier gestanden hatte und nach dem Krieg in die Luft gejagt worden war. Aber gab es nicht auch Durchgeknallte, die behaupteten, dass hier eine Atomexplosion stattgefunden habe, bei geheimen militärischen Versuchen der GKSS?
    Niemann zog das Tempo an. Trampelte wütend Grasbüschel nieder. Zwischen Baumwipfeln erschien der riesige Schornstein des Kernkraftwerks Krümmel, das ein Stück weiter westlich an der Elbe lag.
    Er querte die Stromkabel, die hoch über der Piste hingen, und hechelte weiter. Nur noch wenige hundert Meter bis zum Umspannwerk, dem Wendepunkt seiner Strecke. Der Weg schlängelte sich jetzt durch ein Dickicht aus Zweigen und Wurzeln. Wie ein Hürdenläufer musste Niemann darüberspringen. Er fühlte, wie Tannennadeln über sein Gesicht strichen. Sah plötzlich einen Schatten von der Seite kommen. Spürte einen Windhauch. Und dann nichts mehr.
     
    »Weißt du, warum du gerade aufgewacht bist?«
    Die Stimme kam von weit her, erst dumpf, dann klarer. Als Niemann die Augen einen Spalt öffnete, sah er die Konturen einer Gestalt, die sich über ihn beugte. Kein Gesicht, nur Löcher in einer schwarzen Sturmmaske.
    »Weil ich dir eben einen Zahn ausgeschlagen habe.«
    Die Gestalt hielt etwas in der Hand, was er nicht erkennen konnte. Niemann schmeckte Blut im Mund. Seine Zunge spürte eine Lücke im Oberkiefer. Ein rasender Schmerz stach von dort, quälender noch als das Pochen in seinem Schädel. Etwas musste ihn an der Schläfe getroffen haben.
    »Was … ist … los?« Er konnte kaum sprechen, hörte sich selbst röcheln. Mühsam schluckte er die warme Flüssigkeit hinunter. Er wusste nicht, wie lange er bewusstlos gewesen war. »Was wollen Sie von mir?«, brachte er krächzend hervor.
    Zwei weitere Haubenträger tauchten in seinem Blickfeld auf und knieten sich mit ihrem ganzen Gewicht auf seinen Körper. Er konnte seine Arme nicht bewegen. Irgendetwas schnitt in seine Handgelenke. Auch seine Füße schienen gefesselt zu sein.
    »Keine Angst, es ist gleich vorbei«, flüsterte einer der Maskierten, »du musst jetzt nur ganz tapfer sein.«
    Niemann wollte etwas sagen, aber Finger in weißen Latexhandschuhen drückten ihm einen Klumpen in den Mund, der nach Halmen und Dreck schmeckte.
    »Na, wie fühlt es sich an, wenn man ins Gras beißen muss?«, fragte die leise Stimme.
    Das Büschel war so dick, dass es seinen ganzen Mund füllte. Er konnte kaum noch atmen. »Nein …«, versuchte er zu schreien, doch er brachte nur einen würgenden Laut hervor.
    Aus dem Gebüsch näherten sich noch mehr Gestalten, und plötzlich bekam er von hinten etwas über den Kopf gezogen. Es wurde schwarz um ihn herum.
    Er hörte gluckernde Geräusche rings um sich.
    Fühlte, wie seine Kleidung nass wurde.
    Witterte einen bekannten
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