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Jerry Cotton - 0550 - Der Unheimliche

Jerry Cotton - 0550 - Der Unheimliche

Titel: Jerry Cotton - 0550 - Der Unheimliche
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Ich dachte mir nichts dabei, als der Zug plötzlich auf freier Strecke anhielt. Bis Washington war es noch knapp eine Stunde. Die Verspätung fiel also nicht schwer ins Gewicht.
    Ich öffnete das Fenster und blickte in die Nacht hinaus. Nirgends ein Licht. Wir hielten in einer unbewohnten Gegend. Ich beugte mich weiter vor, um besser sehen zu können. Vielleicht stand ein Vorsignal auf Rot.
    Die dünne Kette an meinem linken Handgelenk, die mit der Dokumentenmappe verbunden war, klirrte leise. Ich kam mir vor wie ein Sträfling, der deportiert werden sollte. Aber das FBI hat strenge Vorschriften. Besonders wenn es um wichtige Akten geht, die weisungsgemäß durch einen Kurier in einem verschlossenen D-Zugabteil an ihren Bestimmungsort gebracht werden müssen.
    Ich hatte zum erstenmal eine solche Aufgabe übernommen. Und der Chef war der Meinung, daß er mir durch diesen Job ein paar ruhige Tage verschafft hätte.
    In meinem Rücken verspürte ich einen heftigen Luftzug. Ich zog den Kopf zurück und drehte mich um. In der offenen Abteiltür standen zwei Männer. Sie hatten die Hüte tief ins Gesicht gezogen und ihre Gesichter durch große 1 lornbrillen unkenntlich gemacht.
    Das Entscheidende aber waren die Pistolen, die sie auf mich richteten. Ich hatte das bestimmte Gefühl, daß sie nicht zögern würden, den Finger zu krümmen.
    »Tut uns leid, Mr. Cotton«, sagte der eine mit leiser Stimme. »Wir müssen Sie bitten mitzukommen. Je weniger Schwierigkeiten Sie uns machen, um so besser ist es für Ihre Gesundheit. Wir verabscheuen rohe Gewalt.«
    Angesichts ihrer schußbereiten Pistolen fand ich ihre Behauptung etwas gewagt.
    Sollte ich mich auf Verhandlungen einlassen? Sie würden kaum Erfolg haben. Wenn jemand einen D-Zug anhielt und so lautlos operierte wie diese Leute, hatten sie bestimmt alle Komplikationen erwogen. Da ich wenig Lust hatte, mich wie ein Hase abschießen zu lassen, trat ich wortlos einen Schritt vor.
    Im gleichen Augenblick wurde ich von hinten angesprungen. Ein harter Schlag traf meinen Hinterkopf, und ein brennender Schmerz durchzuckte meinen ganzen Körper. Dann wußte ich nichts mehr.
    ***
    Phil rutschte unruhig auf seinem Sessel herum. »Aber das gibt es doch nicht! Jerry kann doch nicht einfach verschwunden sein!«
    Mr. High telefonierte bereits zum dritten Mal mit Washington. Es war immer das gleiche: das Zugpersonal konnte keinerlei Anhaltspunkte geben. Auch die Reisenden hatten überhaupt nicht erkannt, was in den wenigen Minuten des Zwangsaufenthalts vor sich gegangen war.
    Der Chef legte den Hörer auf die Gabel zurück. Sein scharfgeschnittenes Gesicht sah müde aus. Müde und sehr besorgt. Bei diesem Zwischenfall ging es nicht nur um mich. Es stand viel mehr auf dem Spiel.
    »Wo ist Steve?« fragte er.
    »Kommt erst morgen zurück. Er treibt sich irgendwo in den Bergen herum. Wollte zum Angeln, glaube ich.«
    Mr. High nickte. »Tut mir leid, Phil. Dann müssen Sie vorläufig allein zurechtkommen. Am besten, Sie fahren gleich los.«
    Phil nickte stumm.
    »Nehmen Sie Jerrys Wagen. Und setzen Sie sich mit den örtlichen Polizeistellen in Verbindung. Sorgen Sie vor allem dafür, daß die Presse keine Schlagzeilen daraus macht. Was wir im Augenblick am wenigsten brauchen können, ist Publicity.«
    Phil verstand den Chef nur zu gut. Zehn Minuten nach diesem Gespräch ließ er den Jaguar bereits über den Express Highway schnurren, um so schnell wie möglich die Ausfallstraße Richtung Washington zu erreichen.
    ***
    Ich wurde dadurch wach, daß mir jemand eine scharfe Flüssigkeit zwischen die Lippen preßte. Bourbon! konstatierte ich ruhig. Ich schluckte erst einmal, und dann machte ich die Augen auf. Vor mir sah ich ein Gesicht, das direkt aus einer Filmillustrierten ausgeschnitten sein mußte. Das Mädchen hatte große, ausdrucksvolle Augen. Ihr schmales Gesicht mit der feinen Nase wurde von langen schwarzen Haaren eingerahmt. Ihr Mund lockte mehr als die beste Lippenstiftreklame. Ich nahm mir sogar Zeit, ihre Figur zu studieren. Sie war makellos. Ein enganliegender Hausanzug aus Goldlame betonte ihre Formen in unaufdringlicher Weise. Zusammen mit dem wirklich ausgezeichneten Bourbon war mein Erwachen beinahe märchenhaft. Und wenn der Schmerz in meinem Hinterkopf nicht gewesen wäre, der mich an die Ereignisse im D-Zug erinnerte, hätte ich mich ausgesprochen wohlfühlen können.
    Meine Augen wanderten durch einen niedrigen holzgetäfelten Raum, der an den Wänden und auf dem Boden
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