Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion
Autoren: Wolfgang Metzner
Vom Netzwerk:
Geruch.
    War das Benzin, mit dem man ihn übergoss? Das Klicken eines Feuerzeugs? Das Aufflackern von Flammen?
    Voller Panik spürte er einen Schwall Hitze, der näher kam. Immer näher.
    Dann roch er den Gestank von brennendem Fleisch.

2
    Dienstag, Nacht
     
    Betreff: fanal 1
     
    Gesendet: 23:07 uhr
     
     
     
    aktion nach plan ausgeführt, tatort clean, leiche weitgehend entsorgt. brand nach circa 40 minuten entdeckt, vermutlich durch feuerschein oder qualm. polizei um 20:10 uhr am tatort, körperreste drei stunden später abtransportiert.
    im vorfeld allerdings fehler: spaziergänger, 500 m entfernt, übersehen. müssen in zukunft unbedingt vorsichtiger sein, auf strengste disziplin achten.
    geesthacht war erst der anfang.
     

3
    »magazine«, Hamburg
     
    »Fotos, Leute! Wo sind die Mega-Fotos?«
    Die aufgekratzte Stimme von Chefredakteur Kai Grosser füllte schon den Konferenzraum, als Jonas Mondrian hineindrängte. Drei Minuten nach zehn. Gerade noch Zeit, einen Platz zu finden in dem Glaskasten mit Panoramablick hoch über der Elbe.
    Wie an jedem Mittwoch versammelten sich über hundert Reporter und Bildredakteure im obersten Stockwerk des Neubaus, der wie ein glitzernder Containerstapel in der Hafen-City in die Höhe schoss. Aus der Top-Etage des Media Tower konnte man durch die deckenhohen Scheiben weit über die Speicherstadt mit ihren rotbraunen Kontorhäusern sehen, und durch das transparente Dach ging der Blick in einen vom Wind frei geblasenen tiefblauen Hamburger Himmel. Mondrian drückte sich in einen Designerstuhl in einer der hinteren Reihen.
    An dem großen ovalen Tisch in der Mitte saßen die Ressortleiter. Rote Lämpchen leuchteten an ihren Mikrofonen, und zwischen Latte macchiato und Flaschen mit italienischem Tafelwasser wurden Stapel von Bildern über die Mahagoniplatte geschoben, auf der eine ganze Armada von Blackberrys und iPads lag. Begrüßungen flogen quer durch den Raum, gefolgt von spöttischen Sprüchen über die letzte HSV-Niederlage. Von der Frontseite blickte der Chefredakteur im cognacfarbenen Sommeranzug so lange in die Runde und pochte auf seine goldene Armbanduhr, bis Stille eintrat.
    »Showtime, Leute. Also, welche Fotos müssen ins nächste Blatt?«
    Mondrian fuhr sich durch seine graublonden Strähnen, die noch etwas feucht und ungeordnet waren, und lehnte sich zurück.
    Fotos, Fotos, Fotos. Das war das Mantra des »magazine«.
    Du kannst eine tolle Story haben. Vergiss sie, wenn du nicht die richtigen Bilder dazu hast.
    Das hatte er gleich zu hören bekommen, als er sich vor zwanzig Jahren in Hamburg beworben hatte.
    Du musst die Kirche erst mal vollmachen, bevor du predigst.
    Diesen Spruch hatte ihm ein Ressortleiter schon während des ersten Mittagessens beim Italiener serviert.
    Und der Appetithappen für das Publikum, das hatte Mondrian schnell begriffen, war die »Optik«. Bei allen Besprechungen ging es zuallererst um opulente Fotos, die Leser und Anzeigenkunden ins Blatt ziehen sollten. Doppelseiten mit Eyecatchern, die unter die Haut gingen oder viel Haut zeigten. Hollywood oder Horror. Skandal-Politiker oder Pop-Ikonen. Supermodels oder Motive, die kein Fotograf bisher vor die Kamera bekommen hatte, am besten von der Rückseite des Monds.
    Das Heft muss wie ein Erdbeben beginnen – und sich dann langsam steigern.
    So lautete das Gesetz der weisen Herausgeberin, die auch nach ihrem Tod auf den Fluren noch respektvoll »die Patriarchin« genannt wurde. Immer wieder hatte sie es mit großer Geste in Konferenzen verkündet. Und dann schallend gelacht.
    Mondrians Blick wanderte zu der Monitorwand an der rechten Seite des Raums, über die Übertragungen von BBC, CNN und Al-Dschasira flimmerten. Live-Aufnahmen eines Attentats in Nairobi. Ein zerfetztes Auto, entsetzte Gesichter. Ja, musste er sich selbst eingestehen, es waren Bilder, die Menschen in ihren Bann schlugen; es fiel auch ihm schwer, sich ihrer Magie zu entziehen.
    Als er zu schreiben begonnen hatte, war seine schärfste Waffe noch ein gespitzter Bleistift gewesen. Als junger Lokalreporter in Berlin hatte er seine Zeilen oft in einen Notizblock auf den Knien gekritzelt. Damals bestand ein Bericht für ihn noch aus einem Haufen handgemachter Buchstaben, die ohne Bild auskamen. Beim »magazine« dagegen bedeutete es das Todesurteil für einen Text, wenn keine aufregenden Fotos dazu existierten. Die Meldungen hießen hier inzwischen news , der Inhalt content , die Tipps service . Und das »Magazin«, bei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher