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Butterschmalz zum Fruehstueck

Butterschmalz zum Fruehstueck

Titel: Butterschmalz zum Fruehstueck
Autoren: Helga Jursch
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Abschalten geht nicht so einfach
    Vor den Tropenstrand hat die moderne Welt das Flugzeug gesetzt. Doch ich hasse Fliegen! Zu den üblichen Unannehmlichkeiten kommt noch die feste Überzeugung, dass ausgerechnet mein Flieger abstürzen wird. Richtig stressig wird es, als ich feststelle, dass wir genau über den Irak fliegen, wo gerade der Krieg tobt. Bagdad, Falludscha, Nadschab , die ganzen grässlichen Namen aus der Tagesschau direkt unter uns. Dann Landung in Kuwait mit einer Stunde Verspätung. Mir schwant schon das Schlimmste, aber mein nächster Flieger hat ebenfalls eine komfortable Verspätung. Kaum angeschnallt versuche ich zu schlafen, doch ich wache auf, weil ein Krankenwagen mit Tatütata durch meinen Kopf fährt. Das nächste Schläfchen wird durch das Klingeln meines ausgeschalteten Handys unterbrochen, das Dritte durch den Ruf meines abwesenden Sohnes nach mir. Mir steht noch ein hartes Stück Arbeit bevor, um den Alltag mental hinter mir zu lassen.
    Da ich keinen Flug mehr zum nächsten Flughafen Trivandrum bekommen habe, weiche ich ins 250 Kilometer entfernte Cochin aus. Dort werde ich vom Hotelfahrer abgeholt. Er sagt, wir bräuchten fünf Stunden bis zum Ziel. Fünf Stunden! Das erschüttert mich ein wenig. Dann fährt er los. Die Verkehrsregeln sind einfach: Es gibt keine, es gilt das Recht der lauteren Hupe. Auf der Straße bewegen sich nicht nur alle möglichen und unmöglichen Fahrzeuge, sondern alles, was sich irgendwie fortbewegen kann: Menschen, Elefanten, Ochsen, Ziegen. Es ist wie eine Achterbahnfahrt, nur dass es hier ums wirkliche Leben geht. Ich merke, dass mein Fahrer nicht mehr richtig fit ist. Seine Reaktionen sind etwas zu träge und schreckhaft. Kein Wunder, er muss mitten in der Nacht aufgestanden und schon fünf Stunden durch den mörderischen Verkehr hierher gefahren sein, um mich abzuholen. Ich schlage deswegen öfter ein Teepäuschen vor, was er gerne annimmt. Während er ein anregendes Getränk nach Art des Hauses zu sich nimmt, stürze ich mich mit Begeisterung auf die Kokosnüsse. Nach sechs Stunden sind wir endlich da.
    Das Hotel ist wirklich so schön wie im Prospekt. Ich bin völlig groggy und übermüdet. Aber jetzt gibt's erst mal Essen. Ich nehme Sambar . Das ist Reis mit gemischtem Gemüse in Kokossoße, dazu scharfe Linsenpaste. Zu trinken gibt es Ingwertee. Dann werde ich vom Hotelarzt untersucht. Morgen kommt noch der große Guru Dr. Franklin, der mich auch ansehen wird, dann bekomme ich die endgültige Diagnose. Jetzt bekomme ich erst mal eine Entspannungsmassage und ein bisschen Reinigung.
    Deepa, meine Masseurin, fragt mich, ob ich es lieber hart oder weich hätte. Ich sage „weich“ und sie legt los. Möchte nicht wissen, was dann eine harte Massage ist. Ich werde fast zwei Stunden wie ein Pizzateig durchgewalkt, wobei Deepa mir auch eine Fußmassage verpasst. Sie hält sich an einem Deckenseil fest und massiert mich druckvoll mit den Füßen. Schließlich wird mein Nasen- und Nebenhöhlensystem mit Öl gereinigt, und zum Schluss muss ich noch ein Glas Milch, auf dem oben eine Schicht Butterschmalz (Ghee) schwimmt, trinken. Ich hoffe, dass das ein Versehen ist, aber es ist Absicht und zudem noch ernst gemeint. „Yes Ma'am, you must!“ Deepa ist sehr nett, aber durchaus durchsetzungsfähig. Danach bin ich mehr tot als lebendig und falle ins Bett. Zum Glück habe ich Ohropax dabei. Normalerweise liebe ich Meeresrauschen, aber das Meer hier rauscht nicht, es tobt. Es tobt regelrecht tsunamiartig und brächte mich ohne Gehörschutz um den Schlaf.
    Ich wache am nächsten Morgen gut erholt auf und mache erst mal Yoga. Der Yogi ist ein alter Inder mit Rauschebart, dennoch, im Gegensatz zu mir, ungemein beweglich. Die Yoga-Session ist richtig anstrengend. Entweder sind meine Arme zu kurz oder meine Beine zu lang, um die Übungen nachzumachen, die der Lehrer so locker-flockig vorführt. Dann gibt’s Frühstück: Ambar , Pfannkuchen aus Reismehl mit gewürztem Bananenmus. Wenn ich geahnt hätte, was Dr. Franklin sagen würde, hätte ich mehr gegessen. Dr. Franklin wettert erst mal gegen die Europäer, die nur zwei Wochen kommen und fit gemacht werden wollen. Unter drei Wochen kann man gar nichts Vernünftiges machen. Ich beschließe, die Woche, die ich für eine Rundreise geplant hatte, an die Kur anzuhängen. Er sagt streng, eine echte Kur sei kein Vergnügen und ob ich mir bewusst wäre, dass einige unangenehme Dinge auf mich zukämen. Ich sage „ja“, obwohl
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