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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer
Autoren: Friedhelm Busch
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Preisentwicklung, und die konsequente Antwort der EZB hierauf kann nur eine straffe Geldpolitik sein. Also vielleicht sogar mehrere Zinserhöhungen in Folge, auf keinen Fall aber sinkende Zinsen!
    »Höchst gefährlich«, mahnt prompt im Hintergrund der Europa-Chor der Politiker und Finanzexperten, »eine Zinserhöhung würde die Rekordjagd des Euro gegenüber dem US-Dollar beschleunigen.«
    In der Tat haben die jüngsten Zinssenkungen der amerikanischen Notenbank die EZB in eine prekäre Lage gebracht. Werden die Zinsen im Euroraum weiter erhöht, vergrößert sich dadurch der Abstand zum Leitzins in den USA dramatisch. Das wäre eine großzügige Einladung der amerikanischen Notenbank an die internationalen Devisenspekulanten, den schwächelnden US-Dollar gegen den teuren Euro einzutauschen, die Talfahrt der amerikanischen Währung und damit auch die importierte Inflation zu beschleunigen.
    Für Ben Bernanke offensichtlich eine Horrorvision, die ihn wohl veranlassen wird, sich – spät aber immerhin – von der Politik des billigen Geldes zu verabschieden. Selbst wenn ein abrupter Richtungswechsel der amerikanischen Notenbankpolitik die Anleger zunächst schockieren könnte, am Ende werden die Finanzmärkte davon profitieren. Am meisten in Europa. Denn eine Fortsetzung der |302| Zinssenkungen in den USA und die damit verbundene Dollar-Abwertung gegenüber dem Euro, so die gängigen Warnungen hierzulande, müsste über kurz oder lang die Exporte in den US-Dollarraum gefährden, weil europäische Produkte sich dort schlagartig verteuerten. Das gelte erst recht, wenn die amerikanische Konjunktur doch noch ins Trudeln geriete. Umgekehrt könnte die US-Konkurrenz mithilfe ihrer siechen Währung die Europäer von deren gewohnten Absatzmärkten verdrängen. Unterm Strich entstünde für die europäische Wirtschaft ein gravierender Wettbewerbsnachteil, der auch durch die positiven Effekte einer faktischen Euro-Aufwertung nicht ausgeglichen werden könnte.
    Dieser Sichtweise lässt sich eine ganze Reihe von Argumenten entgegensetzen. Vorprodukte aus den USA würden billiger, die Energiekosten sänken, weil Rohölimporte grundsätzlich in US-Dollar abgerechnet werden, die Inflationsgefahren in Europa nähmen ab, jenseits des Atlantiks eröffneten sich preiswerte Investitionsmöglichkeiten. Doch all diese Argumente beeindrucken die europäischen Bedenkenträger wenig. Dasselbe gilt für den Hinweis, dass beispielsweise die deutsche Exportwirtschaft ihre in Euro fakturierten Produkte überwiegend an europäische Nachbarn, nach Russland, in den mittleren Osten oder nach Asien liefert. Oder dass deutsche Spezialmaschinen etwa in der Ölindustrie händeringend gebraucht werden – selbst in den USA, und unabhängig vom Preis!
    Die Finanzmärkte bleiben bei ihrer Meinung: Erhöht Jean-Claude Trichet die Zinsen im Euroraum, während die Amerikaner weiterhin auf sinkende Zinsen setzen, verteuert er den Euro und gefährdet die Konjunktur in Europa.
     
    Die Situation ist verzwickt, Jean-Claude Trichet steckt zwischen Baum und Borke. Aber sie ist in der Geschichte der europäischen Währungspolitik nicht neu. Karl Schiller und sein Nachfolger im Finanzministerium Helmut Schmidt wussten ein Lied davon zu singen: In den 1970er Jahren, noch zu Zeiten fester Wechselkurse, musste die deutsche Wirtschaft wiederholt heftige Aufwertungen der D-Mark und Abwertungen der Währungen ihrer internationalen Handelspartner ertragen. Die damaligen Klagen aus Politik und |303| Wirtschaft gleichen den heutigen Ängsten aufs Haar. Am Ende aber waren die Deutschen dank ihrer hochwertigen Produkte Exportweltmeister, während Abwertungsländer wie Frankreich oder Italien das Nachsehen hatten.
    Aufwertungen haben nämlich durchaus auch einen erzieherischen Effekt, denn sie zwingen die heimische Industrie, die sich gegen die internationale Konkurrenz behaupten muss, zu innovativen Produkten und zu Einsparungen in der Produktion. Nur, auf dem Weg dorthin bleiben zwangsläufig Arbeitsplätze auf der Strecke, müssen tarifpolitische und bürokratische Hürden abgebaut werden. Verständlich, dass Gewerkschafter wie Politiker Aufwertungen daher als Rationalisierungspeitsche verurteilen und eher für Abwertungen plädieren. Auf lange Sicht aber haben die Aufwertungen der D-Mark der Effizienz der deutschen Wirtschaft und dem Standort Deutschland nicht geschadet.
    Leider laufen solche langfristigen Überlegungen in Zeiten, die von kurzfristigen Wahlkampfstrategien
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