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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer
Autoren: Friedhelm Busch
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als nahezu wertlos, weil sich kein Kaufkurs mehr ermitteln ließ. Angesichts dieser nachgereichten neuen Katastrophenmeldungen zerfaserte das Vertrauen in die Kreditwirtschaft vollends.
    Kredite an andere Finanzinstitute wurden schlagartig zurückgefahren, weil man deren Zahlungsfähigkeit nicht mehr traute. Schließlich wusste man ja um die Probleme im eigenen Depot. Vielleicht hatte man ja auch selber der Konkurrenz mit erheblichem Gewinn den Giftmüll angedreht und konnte jetzt trefflich, wie Deutsche-Bank-Chef Ackermann, über die Dummheit der Käufer lästern.
    Die Vertrauenskrise der Banken untereinander erfasste zunehmend auch die reale Wirtschaft, die mit dieser Torheit der Gierigen im Grunde nichts zu tun hatte. Wer für sein Unternehmen einen Kredit benötigte, musste mit langwierigen Verhandlungen und hohen Kosten rechnen. Vor allem aber waren, anders als vorher, neue Sicherheiten gefragt. Beteiligungsgesellschaften, die auf kurz laufende Anschlussfinanzierungen ihrer Milliardenübernahmen zu niedrigen Zinsen angewiesen waren, standen plötzlich mit dem Rücken an der Wand. Ihr Eigenkapital reichte der Bank hinten und vorne nicht, neues Geld von Investoren gab es nicht, und die auf Kredit gekauften Anleihen im eigenen Bestand wurden als Sicherheit |298| nicht mehr akzeptiert. Um die Kredite dennoch bedienen zu können, mussten folglich Wertpapiere um jeden Preis – nicht selten zu Tiefstkursen – verkauft werden. Für die Börsen ein Albtraum, denn durch die Zwangsverkäufe gerieten die Kurse zusätzlich unter Druck, taten sich neue Löcher in den Kassen der Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften auf, die nur durch weitere Verkäufe gestopft werden konnten. Ein Teufelskreis. Genau vor diesem Mechanismus hatte ich ein Jahr zuvor in der Telebörse mit meinem Hinweis auf mögliche Notverkäufe der Carry-Trader die Zuschauer warnen wollen, natürlich ohne dieses gigantische Ausmaß der Katastrophe zu ahnen.
    Als im März 2008 der Hedgefonds Carlyle Capital Corp (CCC) wegen erheblicher Investitionen in US-Hypothekenanleihen der staatlich garantierten Immobilienfinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae kollabierte, brachen die Aktienkurse weltweit ein. Wahrscheinlich, so die Vermutung auf dem Parkett, hatten die Banken auf einer Rückführung der Kredite bestanden. Um jeden Preis! Und nicht nur bei der CCC.
     
    Anfänglich versuchte ich noch, mich mit der Hoffnung zu beruhigen, dass viele dieser Wertberichtungen zwei, drei Jahre später in Gestalt außergewöhnlicher Erträge wiederkehren könnten. Es waren wohl doch nicht alle Amerikaner finanziell schwachbrüstig und zahlungsunfähig? Außerdem versprach George W. Bush, mit Steuergeschenken in Milliardenhöhe die Wogen zu glätten. Schließlich stand der Wahlkampf um das Präsidentenamt vor der Tür.
    Warum also nicht auf Finanztitel setzen, genauer gesagt auf die deutschen Banken und Versicherungen, die sich laut eigenen Aussagen rechtzeitig von den Schrottanleihen befreit hatten? In diesen Fällen hielt ich die gravierenden Kursabschläge der letzten Monate für übertrieben, weil zum Teil ungerechtfertigt. Im Grunde bin ich auch heute noch dieser Meinung.
    Als aber im Spätsommer 2007 die ersten scharfen Attacken gegen den weltweit verbreiteten Konjunkturoptimismus der Wirtschaft geritten wurden, war das Unbehagen allgemein. Auch bei mir. Ausgerechnet Alan Greenspan, der mit seinen Billigzinsen vor gar nicht |299| so langer Zeit all diesen irregeführten Renditejägern den Weg ins Dickicht gewiesen hatte, witterte plötzlich am Ende des Waldes eine tiefgreifende Rezession.
    Der Applaus aus dem Lager der Bankanalysten war ihm dabei gewiss, konnte doch die Antwort seines Nachfolgers angesichts des zweiffellos bevorstehenden Konjunktureinbruchs nur darin bestehen, sofort den Fuß von der Zinsbremse zu nehmen und den US-Leitzins wieder zu senken. Jede schlechte Nachricht von der Konjunkturfront wurde an den Börsen mit klammheimlicher Freude begrüßt, weil dadurch eine Zinssenkung nun doch wahrscheinlicher wurde, trotz der offensichtlichen Inflationsgefahr, vor der Bernanke bisher eindringlich gewarnt hatte. Dass eine derartig abrupte Kehrtwende in der Geldpolitik gleichzeitig von einer kommenden Wirtschaftsflaute künden würde, mithin wirklich kein Grund zum Jubeln wäre, beunruhigte offensichtlich nur wenige Marktbeobachter. Den meisten von ihnen war offenbar der bedrohliche Zustand der Wirtschaft weniger wichtig als die Aussicht auf sinkende Zinsen.
    An
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