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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer
Autoren: Friedhelm Busch
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gewesen waren. In so manchem Goldlackpaket steckte in Wirklichkeit reiner Giftmüll.
    Aufgeschreckt durch die Tartarenmeldungen vom amerikanischen Immobilienmarkt, begannen Investoren weltweit, sich zu fragen, ob nicht auch sie diese verderbliche Ware in ihren Beständen hielten, ohne davon zu wissen. Um gegebenenfalls den Giftmüll den Bilanzvorschriften entsprechend entsorgen zu können, musste man ihn aber erst einmal finden. Und das war gar nicht so einfach. So mancher Investor hatte diese Finanzkonstrukte auf Pump gekauft und seiner Bank die Anleihen als Sicherheit für den Kredit gegeben. Auf diese Weise waren auch Banken, die selber keine derartigen Papiere gekauft hatten, infiziert worden. Das Durcheinander konnte nicht schlimmer sein.
    Zumindest für den Verkäufer der Anleihen hatte sich das Geschäft gerechnet. Zunächst war es ihm gelungen, sein Ausfallrisiko durch den Verkauf auf mehrere Schultern zu verteilen. Mit anderen Worten, das Risiko wurde so stark verwässert, dass es kaum noch Schaden anrichten konnte, sollte der Kredit wider Erwarten platzen. Klang im Grunde vernünftig, auf jeden Fall harmlos.
    Zudem verwandelte er lang laufende Forderungen in Bargeld. Statt jahrelanger Ratenzahlungen der Kunden gab es auf einen Schlag viel |296| Geld. (Die einträglichen Gebühren beim Abschluss eines Kreditvertrags hatte man natürlich bereits vor dem Verkauf eingesackt. Möglicherweise übernahm der Verkäufer gegen eine Gebühr auch weiterhin das Inkasso der Forderungen und die Verwaltung der Konten.)
    Hinzu kam, dass die Position »Forderungen« aus der eigenen Bilanz verschwand. Damit wurde das Eigenkapital der Bank entlastet. Denn nach internationalen Bilanzregeln müssen Kreditforderungen durch einen bestimmten Prozentsatz des Eigenkapitals abgesichert sein, dessen Höhe sich nach der Bonität des Schuldners richtet. Der Umfang des Eigenkapitals beschränkt also grundsätzlich den Spielraum der Geschäftstätigkeit. Werden nun Kreditforderungen verkauft und damit in Cash umgewandelt, wird der entsprechende Teil des Eigenkapitals wieder frei für neue Kreditzusagen.
    Natürlich waren nicht nur die Hypothekenbanken auf diesen Dreh gekommen. Ebenso wurden Kreditforderungen bei Kreditkarten, Autokäufen oder normalen Überziehungskrediten verbrieft und die entsprechenden Wertpapiere verkauft. Selbst die Milliardenkredite an Hedgefonds oder Beteiligungsunternehmen wurden auf diesem eleganten Weg aus der eigenen Bilanz entfernt und auf die Reise rund um die Welt geschickt.
     
    Als die Ausfallrate sogar bei bisher verlässlichen Kunden stieg und neben Wohnimmobilien auch Gewerbeimmobilien in den Abwärtssog gerieten, begab sich die gesamte Finanzwelt in die eigenen Kellerräume, um nach dem Finanzmüll zu suchen. Wer fündig wurde, stand vor einem neuen Problem. Wie sollten diese in Verruf geratenen Anleihen bewertet werden? Der Verbriefungsmarkt war praktisch tot. Niemand wollte sich noch mit Anleihen infizieren, deren Sicherheiten aus Kreditforderungen bestanden. Folglich waren die Preise für diese Papiere dramatisch gefallen, sofern sie überhaupt noch notiert wurden. Entsprechend hoch war der Wertberichtigungsbedarf in den Bilanzen. Weltweit erreichten die ausgewiesenen Wertminderungen bereits im Frühjahr 2008 die schwindelerregende Höhe von 200 Milliarden US-Dollar. Und täglich wurden auf dem Frankfurter Börsenparkett neue Horrorzahlen herumgereicht.
    Viele Banken und Versicherungen mussten über Nacht milliardenschwere |297| Wertberichtigungen und Rückstellungen zulasten ihres Eigenkapitals vornehmen, weil sie die teuflischen Forderungsanleihen von anderen Banken für das eigene Depot gekauft oder von Hedgefonds bzw. Private-Equity-Fonds als Sicherheiten für Milliardenkredite akzeptiert hatten. Die goldenen Gewinne der vergangenen Jahre verschwanden aus den Bilanzen, und mit ihnen schnurrte das haftende Eigenkapital gefährlich zusammen.
    Wer auch in Zukunft als Kreditbank noch handlungsfähig sein wollte, musste schnellstens für neues Eigenkapital sorgen oder seine noch vorhandene Liquidität horten. Schließlich wusste man ja nicht genau, auf welches Niveau die Kurse der Anleihen im eigenen Depot noch fallen, welcher Wertberichtigungsbedarf in Zukunft noch auftreten würde. Und kam es zu Verzögerungen bei der Feststellung von Bilanzverlusten, so lag die Schuld dafür nicht immer beim Finanzvorstand. Denn häufig erwiesen sich Wertpapiere, die als ungefährdet und sicher galten, über Nacht
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