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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer
Autoren: Friedhelm Busch
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Prozent gewachsen – die Analysten hatten angesichts der schwächelnden Bauwirtschaft einen geringeren Wert erwartet. Außerdem war die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung geringer als vorhergesagt.
    Diese Zahl, eine an der Börse stark beachtete statistische Größe, die wöchentlich landesweit ermittelt wird, gehört meiner Ansicht nach zu den überbewerteten, wenn nicht unsinnigen amerikanischen Zahlenspielereien. In der Regel werden die zugrunde liegenden Erhebungen zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit schon nach ein, zwei Tagen korrigiert. Das hindert die Börsen aber nicht daran, wenn auch nur für Stunden, darauf zu reagieren. Nicht immer folgen die Marktteilnehmer ihrem Gehirn.
    Zwar trauerten einige Marktteilnehmer den schwindenden Aussichten auf sinkende Zinsen in den USA nach, doch die Optimisten an der Frankfurter Börse stellten eingedenk dieser beruhigenden Worte Bernankes schon mal den Sekt kalt. Der DAX werde nach einer kurzen Pause bestimmt seine Rekordjagd fortsetzen. Selbst wenn die Amerikaner einen Gang zurückschalteten, an der deutschen Teflon-Wirtschaft würde das wie Wasser abperlen. Schließlich könnten die deutschen Maschinenbau- und Elektroexporteure mit ihrem |290| Fachwissen und ihrer modernen Angebotspalette auf die jungen Absatzmärkte in China und Indien ausweichen. Von der florierenden Nachfrage der europäischen Partner gar nicht zu reden. Zudem verfügten die meisten deutschen Unternehmen über eine solide Eigenkapitaldecke und waren nicht unbedingt auf fremdes Geld angewiesen, also relativ unabhängig von den Zinsen.
    Nichts schien die Aktienkurse in Deutschland jetzt bremsen zu können. Das Allzeithoch des DAX lag in greifbarer Nähe, der Dow-Jones-Index hatte seine Rekordmarke bereits vor Wochen erreicht. Verständlich also, dass das Argument vom Nachholbedarf deutscher Aktien weiter die Runde machte. In Frankfurt schien das Tor zum Börsenparadies sperrangelweit geöffnet zu sein.
    Doch bei näherem Hinsehen hätte man auch in Deutschland einige hässliche Flecken auf dem Goldlackbild entdecken können. Und ich schaute besonders genau hin, denn schließlich brauchte ich ja vor mir selber stichhaltige Argumente für meine immer noch andauernde Kaufzurückhaltung.
    Prall gefüllte Auftragsbücher, ausgelastete Kapazitäten, Überstunden, Facharbeitermangel. Das alles deutete auf eine Fortsetzung des Wirtschaftsaufschwungs hin. Richtig! Es sprach aber auch für steigende Lohnforderungen der Gewerkschaften. Hinzu kam die stürmische Nachfrage des wachsenden Mittelstandes in China und Indien nach europäischen Nahrungsmitteln, die die Agrarpreise hierzulande in die Höhe schnellen ließ, zusätzlich beflügelt durch eine völlig verfehlte staatliche Förderung des Biosprits. Dazu noch ein hoher Ölpreis, und fertig war ein Inflationsszenario, auf das die EZB nur eine Antwort geben konnte: weitere Zinserhöhungen wegen drohender Zweitrundeneffekte. Zweitrundeneffekt heißt: Steigende Preise verursachen vermittels kräftiger Tariflohnerhöhungen steigende Lohnkosten, die wiederum zu höheren Preisen führen, weitere Lohnforderungen verursachen und damit die Inflation auf eine immer höhere Drehzahl bringen, es sei denn, die Notenbank rasselt mit ihren Folterinstrumenten und unterbricht diesen preistreibenden Automatismus mit steigenden Zinsen.
    Im Grunde waren das aus dem eigenen Umfeld schon genügend Argumente für schwächere Kurse. Doch der Blitz, der die ausgelassenen |291| Partygäste auseinandertreiben sollte, schlug, gut sechs Stunden von Frankfurt entfernt, an der New Yorker Börse ein.
     
    Die Subprimekrise, die sich auf der Finanzmarktbühne bislang eher im Hintergrund gehalten hatte, trat plötzlich als Auslöser der sich anbahnenden Tragödie ins grelle Scheinwerferlicht. Doch hinter der US-Immobilienkrise verbarg sich mehr als nur die finanzielle Not zahlreicher Amerikaner, die aufgrund der steigenden Hypothekenzinsen in finanzielle Schwierigkeiten geraten waren und nun damit rechnen mussten, durch Zwangsversteigerungen ihr Haus zu verlieren. Mehr auch als die Pleite einiger Hypothekenbanken, die im Vertrauen auf anhaltende Wertsteigerungen am Immobilienmarkt leichtfertig Kredite gewährt hatten und nun plötzlich im Regen standen, weil ihre Kunden die Zahlungen einstellten, während gleichzeitig die als Sicherheiten übereigneten Häuser drastisch an Wert verloren.
    Die wackelnden Hypotheken in den USA und die drohenden Zwangsversteigerungen hätten
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