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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer
Autoren: Friedhelm Busch
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Leitzins einer Notenbank in der Tat nur auf dem kurzfristigen Geldmarkt aus, nicht aber am Kapitalmarkt, wo die langfristigen Kredite gehandelt wurden. Hier spielen lediglich das Angebot von Kapital und die Nachfrage danach eine Rolle und nicht die Geldpolitik der Notenbank.
    Aber die Finanzmärkte hätten den Kurswechsel der US-Notenbank dennoch nicht auf die leichte Schulter nehmen sollen. Über die Leitzinsen haben die Notenbanken zumindest auf lange Sicht einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das internationale Währungsgefüge. Ein steigender Leitzins verteuert nach der reinen Lehre die eigene Währung, während ein sinkender Leitzins sie grundsätzlich schwächt. Dieser Mechanismus greift nicht immer sofort, er kann vielmehr durch äußere Einflüsse abgeschwächt, verzögert oder gar umgedreht werden. So blieb der US-Dollar trotz sinkender Leitzinsen unter Greenspan lange Zeit auf überraschend hohem Niveau, weil Japaner und Chinesen ihre Ersparnisse jahrelang in amerikanischen Anleihen anlegten, also US-Dollar kauften.
    Aber auf Dauer ist es für jeden Währungsspekulanten gefährlich, gegen die Notenbank zu wetten. Eine inverse Zinskurve, das heißt eine Situation mit hohen kurzfristigen und niedrigen langfristigen Zinsen, kann nicht von Dauer sein. Nach der reinen Lesart weisen |288| niedrige Langfristzinsen auf einen geringen Kapitalbedarf der Wirtschaft hin, mit anderen Worten, auf eine Rezession. Droht aber kein Konjunktureinbruch, muss der langfristige dem kurzfristigen Zinstrend nach oben folgen. Von einem Konjunktureinbruch aber war aktuell wenig zu sehen. Irgendwann würde also der Markt wieder vom Kopf auf die Füße gestellt, würde das langfristige Geld, weil prinzipiell mit einem höheren Risiko verbunden, wieder teurer werden als solches, das nur für eine kurze Zeit zur Verfügung gestellt wird.
    Der Anfang 2007 herrschende offenkundige Gleichmut der Finanzmärkte würde, so meine Vermutung, sehr schnell in Panik umschlagen, wenn – aus welchen Gründen auch immer – die Zinsen am Kapitalmarkt generell anzögen oder steigende Leitzinsen in Japan den Yen aufwerteten und damit für die Carry-Trader die Rückzahlungen ihrer Yen-Kredite teurer würden als ursprünglich kalkuliert. All die schönen Gewinne aus dem Geschäft mit den unterschiedlichen Zinsen in verschiedenen Währungen wären dann in Gefahr. Die logische Strategie der Carry-Trader konnte also nur heißen, schon beim ersten Anzeichen einer möglichen Yen-Aufwertung sofort die Wertpapiere aus den Depots zu verkaufen, den Erlös in Yen zu tauschen und die Yen-Kredite zu tilgen. Dies musste, so meine Erwartung, mit einem Donnerschlag die lukrativen Kreditgeschäfte beenden. Mit schlimmen Folgen für die Aktienmärkte. Aber die reale Wirtschaft würde davon vermutlich unberührt bleiben.
     
    Nur wenige Wochen später musste ich mir eingestehen, dass ich mit meinen bösen Ahnungen zwar nicht völlig falsch gelegen, aber den falschen Mond angebellt hatte. Die größeren Gefahren für die Börsen gingen gar nicht von den Finanzinvestoren mit ihren aufgeblasenen Kriegskassen aus. Im Grunde zählten sie am Ende sogar zu den Opfern und nicht zu den Tätern.
    Die wirklichen Verursacher der sich anbahnenden Katastrophe verbargen sich hinter dem kryptischen Begriff »Subprimekredite«. Es hatte sich zwar schon lange herumgesprochen, dass zahlreiche amerikanische Bürger, deren finanzielle Situation angespannt war, angesichts steigender Zinsen ihre Hypotheken nicht mehr bedienen |289| konnten und deshalb in den kommenden Monaten und Jahren die Zahl der Zwangsversteigerungen bei Häusern und Wohnungen in den USA mit hoher Wahrscheinlichkeit zunehmen würde. Für die Betroffenen ein schlimmes Schicksal, aber den Konsum der gesamten amerikanischen Bevölkerung würde dies wohl kaum gravierend beeinflussen. Und ganz bestimmt nicht die ganze Weltwirtschaft. Wir alle waren völlig ahnungslos.
    Selbst US-Notenbankchef Bernanke sah in der amerikanischen Wohnungsmarktkrise lange Zeit keine ernsthafte Bedrohung der US-Wirtschaft. Vielmehr müsse die Notenbank weiterhin auf die Inflationsrisiken achten, daran ändere auch die Immobilienkrise nichts. Und an die Adresse der Finanzmärkte gerichtet: Zinssenkungen seien für die nächste Zeit nicht zu erwarten. Wie zur Bestätigung wurden kurz darauf die aktuellen US-Konjunkturdaten nachgereicht. Im letzten Quartal des Vorjahres war die amerikanische Wirtschaft aufs gesamte Jahr hochgerechnet um 2,5
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