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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer
Autoren: Friedhelm Busch
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die weltweite Kreditwirtschaft wohl kaum allein aus dem Takt bringen können. Vielmehr hatte die Immobilienkrise wie ein Skalpell in ein Geschwür geschnitten, an dem die amerikanische Finanzwelt – und nicht nur sie – schon seit Jahren in ihrem Innersten krankte. Aber vom Ausmaß dieser Erkrankung war bisher nur wenig an die Öffentlichkeit gedrungen.
    Angefangen hatte es vor Jahren mit der generellen Überschuldung der privaten Haushalte in den USA. Weil die Kreditinstitute offenbar nur an hohen Umsätzen interessiert waren und der Begriff »Ausfallrisiko« aus ihrem Gedächtnis verschwunden war, konnte nahezu jeder Hauskäufer oder Hausbesitzer, so er nur wollte, Hypotheken aufnehmen oder seine alten Hypotheken aufstocken. Viele machten von dieser Möglichkeit Gebrauch, allerdings nicht nur, um den Hauskauf zu finanzieren oder mit dem zusätzlichen Geld bestehende Verbindlichkeiten zu tilgen. Vielmehr wurde das geliehene Geld zum größten Teil in die Einkaufszentren getragen, um sich neue Konsumwünsche zu erfüllen. Das neue Auto wurde zu lachhaft günstigen Konditionen finanziert. War das Limit der Kreditkarte ausgeschöpft, beantragte man halt eine neue Kreditkarte eines anderen Unternehmens, ohne sich groß um die wachsenden Schulden zu kümmern. Kein Wunder, |292| dass die Sparquoten der Amerikaner ins Minus drifteten und die Shopping-Malls überfüllt waren.
    Der Einzelhandel war glücklich, weil der Konsum florierte. Die Autohersteller konnten ihre übervollen Halden abbauen. Die Banken strahlten, weil die Umsätze im Kreditgeschäft stiegen und mit diesen die Gebühren bei Vertragsabschluss. Die Politiker waren zufrieden, weil Konsumrausch und zunehmende Beschäftigung die Steuergelder sprudeln ließen. Und die Börse jubelte über steigende Kurse.
    In dieser allgemeinen Wohlfühllaune schwante der Bankenaufsicht lange Zeit nichts Böses. Bis dann die Notenbank doch den Stecker herauszog und die Leitzinsen erhöhte, weil ihr das närrische Treiben am Immobilienmarkt gar zu laut geworden war und die steigenden Häuserpreise die Mieten explodieren ließen.
    Zunächst nur in homöopathischen Dosen, dann wie ein Sturzbach aus Mistkübeln offenbarte sich den fassungslosen Finanzmarktbeobachtern Mitte 2007 ein Trauerspiel, dessen Auswirkungen die Bankenbilanzen noch auf Jahre hinaus weltweit bis in die hinterste deutsche Provinz verschmutzen werden. Schuldlos schuldig wie in der griechischen Tragödie waren aber nur wenige Mitspieler. Das galt für Kreditgeber wie für deren Kunden. Viele hatten sich bewusst ihrem Schicksal selber ausgeliefert. Die Gier nach dem schnellen, leicht verdienten Geld hatte in ihren Köpfen alle Regeln der Vernunft außer Kraft gesetzt, ohne dass ihnen ein Gott in den Arm gefallen wäre. Und auch bei uns in Deutschland erwies sich die staatliche Bankenaufsicht als oberste »göttliche Instanz« völlig überfordert, rieb sich der letztlich verantwortliche Bundesfinanzminister wahrscheinlich stillvergnügt die Hände ob der stattlichen Steuereinnahmen. Um dann am Ende der Tragödie die Steuergelder der Bundesbürger für völlig sinn- und nutzlose Rettungsaktionen im staatlichen oder halbstaatlichen Bankensektor wieder zu verpulvern.
     
    Von den Notenbanken, den asiatischen Exportriesen und den reichen Rohstoffländern jahrelang mit der Droge namens Geld aufgeputscht, waren die professionellen Schatzsucher auf den Finanzmärkten überwiegend damit beschäftigt gewesen, bei ihrer unablässigen Suche nach dem ultimativen Goldschatz jeden Stein umzudrehen. Kein einfaches |293| Unterfangen, denn bei dem weltweiten Überfluss an Liquidität war im normalen Geschäft nicht mehr genug zu verdienen, waren die Eigenkapitalrenditen auf lächerlich geringe Werte geschrumpft. Also konnte nur der triumphieren, der den ultimativen Trick kannte. Dies war die Stunde der Finanzalchimisten, der Chemiker und Mathematiker in den Banken und Versicherungen, in Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften. Sie alle suchten nach dem Rezept, wie man aus Mist Gold machen konnte.
    Und sie alle waren erfolgreich. Das belegen eindrucksvoll die glänzenden Gewinnzahlen der letzten Jahre. Die Bilanzpräsentationen der Alphatiere an den Finanzmärkten wurden vor dem staunenden Publikum wie Krönungsmessen zelebriert. Laute Zufriedenheit überall: bei den Anteilseignern und Kapitalgebern, aber vor allem bei den Organisatoren dieses Gewinnspiels. Je höher der Ertrag der Anteilseigner, desto großzügiger bedienten
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