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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer
Autoren: Friedhelm Busch
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so viel Kurzsichtigkeit mochte ich einfach nicht glauben. Daher schien mir dieses Krisengeschrei der Analysten nur ein Vorwand zu sein, um Bernanke zu einer Umkehr in seiner Bremspolitik zu bewegen. Mein Optimismus für die Konjunktur war – und ist noch immer – ungebrochen.
    Selbst nach dem offensichtlichen Kollaps der Finanzmärkte wurde ich den Verdacht nicht los, dass so mancher Finanzinvestor besonders tief in die Jammerharfe griff, um mit billigem Geld der US-Notenbank das ganz große Geschäft in und mithilfe der Krise an Land zu ziehen. Etwa nach Art der sogenannten Geierfonds, die seit Jahren marode Staatsanleihen aus Entwicklungsländern zu einem Bruchteil ihres ursprünglichen Wertes aufkaufen. Nach äußerst »freundschaftlichen« Gesprächen mit den Regierenden dieser Staaten zeigen sich diese dann plötzlich bereit, ihre Schulden nahezu vollständig zu tilgen. Wahrscheinlich bedienen sie sich dazu auch der von westlichen Entwicklungshelfern gefüllten Töpfe.
    Welche Motive auch immer mit den Hilferufen in Richtung US-Notenbank verbunden waren, bei Ben Bernanke stießen sie auf weit geöffnete Ohren. Ohne zu zögern warf er seine stabilitätsorientierte |300| Geldpolitik über den Haufen und prügelte in drastischen Schritten den amerikanischen Leitzins von über 5 Prozent in Richtung 2 Prozent in den Keller – und dies nur, um nach jeder Zinssenkung mit neuen Zinsforderungen konfrontiert zu werden, weil die bisherigen Maßnahmen noch keine Wirkung gezeigt hätten.
    Für ernstzunehmende Wirtschaftswissenschaftler war das keine Überraschung, hatten sie doch eindringlich vor dem Richtungswechsel der US-Notenbank gewarnt. Es gebe überhaupt keine Liquiditätskrise, die man mit simplen Zinssenkungen bekämpfen müsse. Im Gegenteil, die Banken könnten immer noch wie Dagobert Duck im Geld baden. Statt einer Liquiditätskrise herrschte in der internationalen Bankenwelt eine gegenseitige Vertrauenskrise, die allerdings in eine allgemeine Kreditkrise münden und damit wohl auch die Wirtschaftskonjunktur infizieren könne. Dennoch plädierten viele neutrale Wissenschaftler dafür, den Selbstheilungskräften der Finanzmärkte zu vertrauen. Zwar würden dabei, wie 2001 nach dem Platzen der Hightech-Euphorie, etliche Banken ins Gras beißen, zahllose Mitarbeiter bis hinauf zu den verantwortlichen Vorstandsmitgliedern ihre Arbeit verlieren und die Weltkonjunktur an Schwung verlieren, aber immerhin würde den Verursachern dieses Schlamassels eine heilsame Lehre erteilt: Jedes Bankenrisiko trägt den Keim des Scheiterns in sich. Und jedes Scheitern kann auch auf das eigene Vermögen durchschlagen. Gesunden Menschenverstand unterstellt, sollte diese Erfahrung künftig zu einem vorsichtigeren Umgang mit einem möglichen Verlustrisiko führen.
     
    Die überstürzten Reaktionen der amerikanischen Notenbank lassen für die nächsten Jahre leider das Schlimmste befürchten, selbst wenn in naher Zukunft die Leitzinsen wieder angehoben werden. Durch die bereits vorhandene Überschwemmung der Finanzmärkte mit billigem Geld hat sie wieder einmal selber die Voraussetzung für neue Spekulationsblasen geschaffen, hat sie ihre Stabilitätspolitik leichtfertig über den Haufen geworfen. Durch ihre demonstrative Bereitschaft, den Giftmüll aus den Kellern der Banken und anderer Investoren mit öffentlichen Geldern zu entsorgen, um den gescheiterten Spekulanten das Überleben und die Gewinne der vergangenen |301| Jahre zu sichern, sendet sie zudem Signale aus, die fataler nicht sein können. All die Finanzmarktjongleure, die sich in den vergangenen Jahren bei ihrer gierigen Jagd nach dem höchstmöglichen Gewinn im Vertrauen auf den erprobten Nothelfer Alan Greenspan und seinen Nachfolger Ben Bernanke von keinem Risiko beirren ließen, sehen sich in ihrem leichtfertigen Tun nachträglich bestätigt und zu neuen Taten ermuntert. Wenn die Gier ohne Folgen bleibt, warum sollte sie dann unvernünftig sein?
    Während Ben Bernanke sich offenbar ohne Skrupel vor den Karren der Spekulanten spannen ließ, weigert sich sein europäischer Kollege Jean-Claude Trichet – bislang zumindest – standhaft, diesem Beispiel zu folgen. Unbeirrt kämpft er seit Beginn der Finanzmarktkrise einzig und allein für die Stabilität der europäischen Gemeinschaftswährung, wie es ja auch dem Auftrag der EZB entspricht. Angesichts der ausufernden Geldmenge im europäischen Wirtschaftsraum mehren sich die Zeichen einer andauernden inflationären
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