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Mord Unter Segeln

Mord Unter Segeln

Titel: Mord Unter Segeln
Autoren: Christiane Franke
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Dienstag
     
    Die Julisonne kitzelte Angelika Fademrecht am kleinen Zeh, so jedenfalls kam es ihr vor, denn der Zeh juckte, und davon wachte sie auf. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es noch früh war. Erst kurz nach sechs. Das war eine Uhrzeit, zu der sie daheim nie von allein aufwachte. Sie war eher ein Langschläfer, ärgerte sich aber immer darüber, am Wochenende nichts zu schaffen, weil die Stunden viel zu schnell vergingen. Nein. Sie schmunzelte. So war das ja gar nicht mehr. Seit einem Jahr schlief sie nur noch im Winter an den Wochenenden lang, denn seit einem Jahr gab es die »Angelika« in ihrem Leben. Ralf hatte es ziemlich umgekrempelt, und sie gab gern und unumwunden zu: Sie fühlte sich pudelwohl dabei.
    Er war vor anderthalb Jahren buchstäblich in ihr Leben gestolpert, als sie beim Joggen um eine Ecke gebogen war, dabei auf ihrem MP3-Player einen besonderen Song gesucht und überhaupt nicht eingerechnet hatte, dass es auch andere Menschen gab, die durch die Gegend liefen. Es war eine typische Slapstick-Situation gewesen, in der sich sofort herausgestellt hatte, dass sie beide die gleiche Art von Humor besaßen, denn jeder von ihnen hatte einen schrägen Kommentar auf den Lippen gehabt. Das hatte zu einem Date geführt, das Date zu weiteren Dates und dann zu einer Beziehung. Als sie vor einem Jahr seinen Heiratsantrag angenommen hatte und seine Frau geworden war, hatte Ralf sein Boot in »Angelika« umgetauft.
    Sie streckte sich, bewusst darauf achtend, ihn nicht zu wecken. Ralf sollte ruhig noch schlafen, während sie vorn in der Kajüte das Frühstück bereitete. Spätestens wenn der Kaffeeduft durch das Schiff zog, würde er wach, und sie liebte es, wenn er schlaftrunken zu ihr nach vorn kam, ihr die langen Haare aus dem Nacken schob und einen Kuss auf ihren Hals hauchte, in dem das Versprechen lag, sie intensiver zu küssen, sobald er die Zähne geputzt hätte. Ja, Angelika fand, dass sie großes Glück gehabt hatte, mit Mitte fünfzig noch einem Menschen wie Ralf zu begegnen.
    In der Nasszelle des Schiffes machte sie eine Katzenwäsche, setzte auf dem Gasherd Wasser auf und begann, den Tisch zu decken. Eine halbe Stunde später war der Kaffee fertig, das Brot geschnitten, der Aufschnitt-Teller liebevoll mit Petersilie und Paprikawürfeln verziert, und die Eier waren wachsweich gekocht. Auch den so üblichen und erwarteten geliebten Kuss auf den Hals hatte sie erhalten.
    »Was steht heute auf dem Programm?«, fragte sie, während er sein Ei aufklopfte.
    »Wangerooge. Von dort segeln wir zu den übrigen Inseln, bis nach Borkum.«
    »Ach Ralf. Borkum. Darüber haben wir doch schon gesprochen. Ich möchte nicht nach Borkum. Da war ich zuletzt mit dem Vater meiner Kinder, und die Erinnerungen an den Urlaub sind nicht so schön. Obwohl das natürlich nichts mit der Insel zu tun hat«, schob sie schnell hinterher und nahm sich eine Scheibe Blanc de Blanc. Über sechzig Prozent Fett hatte dieser Käse, das passte in ihre Trennkost.
    »Fangen wir erst einmal mit Wangerooge an. Ich werde schon dafür sorgen, dass deine schlechten Erinnerungen an Borkum wesentlich schöneren weichen.«
    »Ich lass mich überraschen.« Sie musste lächeln.
    Er lächelte zurück. »Na dann, packen wir's an. Wir werden bei diesem Wind circa fünf bis sechs Stunden brauchen. Wenn wir gleich lossegeln, sind wir gegen späten Mittag da. Dann zeig ich dir das Inselheim Rüstringen, in dem ich früher jedes zweite Jahr mit der Schule war. Das gibt's nämlich immer noch.« Er steckte sich das halbe Ei auf einmal in den Mund, eine Eigenart, an die Angelika sich leider immer noch nicht gewöhnt hatte. »Ich werd gleich mal nebenan Bescheid sagen. Hast du mitgekriegt, dass heute Nacht ein anderes Schiff bei uns festgemacht hat?«
    »Nein, ich hab tief und fest geschlafen. Wir waren aber ja auch schon früh im Bett. Halb elf, oder?«
    »War wohl eher kurz nach elf. Ist aber egal.« Ralf stand auf. »Ich geh mal hoch.« Er kletterte die kleine, fest installierte Holzleiter hinauf, und Angelika hörte sein Rufen auch unten im Salon. »Hallo?« Kurze Pause. Dann noch mal: »Hallo?«
    Es schien keine Antwort zu kommen. Dafür steckte Ralf nach ein paar Minuten den Kopf durch die Luke. »Kannst du mal hochkommen?« Angelika runzelte die Stirn, ließ den Abwasch Abwasch sein und kletterte ebenfalls an Deck.
    »Guck mal.« Ralf wies auf das Heck des Schiffes, das an ihrem festgemacht hatte.
    »Ach, du Scheibenkleister. Was ist das denn?«
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