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Gott geweiht

Gott geweiht

Titel: Gott geweiht
Autoren: C.E. Lawrence
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auf die nasse Straße herab. Ihr wiederkehrendes Licht hatte für ihn endgültig den Schrecken verloren, denn auch er spürte, wie seine Seele sich wieder öffnete, während es in New York langsam Frühling wurde. Die Jahreszeiten erschienen ihm nun wie ein Geschenk, jede war einzigartig und besaß ihre ganz eigene Schönheit – wie auch jeder Mensch. Seine Schwester konnte ihm nichts auf der Welt ersetzen, das wusste er. Aber er begann ihren Verlust langsam zu akzeptieren.
    Er wandte sich um zu der kleinen dunkelhaarigen Frau neben ihm.
    »Wie geht es dir?«
    »Gut«, versicherte Kathy und schmiegte sich an ihn. »Und dir?«
    »Auch.«
    Gemeinsam sahen sie zu, wie das ältere Paar aus Lees Nachbarhaus Hand in Hand die Straße entlangspazierte. Die Frau hatte ihren Kopf an die Schulter des Mannes gelehnt, und die Sonne verlieh ihrem lockigen grauen Haar einen silbrigen Glanz. Es fiel Lee und Kathy nicht leicht, über das zu sprechen, was geschehen war.
    »Hattest du letzte Nacht wieder Albträume?«
    Kathy sah ihn nicht an und blickte weiter aus dem Fenster. »Die Schlaftabletten helfen.«
    »Sei vorsichtig damit, die haben Suchtpotenzial. Ich wünschte, du würdest dir von einem Experten helfen lassen.«
    »Von deiner Therapeutin?«
    »Nein, von jemandem, der auf posttraumatisches Stress-Syndrom spezialisiert ist.«
    »Vielleicht.«
    »Kommst du damit klar, dass ich weiterhin als Profiler arbeiten und mit gefährlichen Verbrechern zu tun haben werde? Macht dir das nichts aus?«
    »Natürlich macht mir das was aus. Das schätze ich ja so an meiner eigenen Arbeit. Ich komme erst ins Spiel, wenn all die Schrecklichkeiten längst vorbei sind. Alles, womit ich mich beschäftigen muss, sind ein paar saubere weiße Knochen, die ich im Labor in aller Ruhe untersuchen kann.«
    »Aber?«
    »Aber ich liebe dich und werde deshalb einen Weg finden, damit umzugehen.«
    »Ich bin trotzdem der Meinung, dass du dir helfen lassen solltest.«
    » Okay . Herrje, du lässt auch wirklich nicht locker. Was ist eigentlich mit deinen Verletzungen. Tun sie noch sehr weh?«
    »Es geht.«
    »Komm mal mit auf die Couch, damit Schwester Kathy dich gründlich durchchecken kann.«
    »Ausgezeichnete Idee …«
    Im selben Moment, als sie ihn zu sich ziehen wollte, klingelte das Telefon. Lee verfluchte sich dafür, dass er es nicht ausgestöpselt hatte.
    »Ja?«
    »Hallo«, ertönte Butts’ Stimme am anderen Ende der Leitung. »Ich dachte, Sie wären vielleicht daran interessiert, was wir von Samuels Nachbarn über ihn erfahren haben.«
    »Das ist nett von Ihnen«, sagte Lee. Mit den Gedanken war er allerdings woanders. Eigentlich wollte er die ganze Sache am liebsten nur noch vergessen.
    »Ja, also er war wohl genau so ein Typ, wie Sie vermutet haben. Ein stiller, junger Mann, zurückgezogen, hat aber immer freundlich gegrüßt, die alte Leier. Wie heißt es doch gleich, ›Stille Wasser sind tief‹, was?«
    »Da können wir ja froh sein, dass Sie so redselig sind.«
    »Wie bitte?«
    »Ähm, nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich bin gerade etwas abgelenkt.«
    »Oh, na gut. Dann entschuldigen Sie die Störung. Wollte Ihnen nur Bescheid sagen.«
    »Vielen Dank, das weiß ich zu schätzen. Wir sehen uns dann Anfang der Woche, okay?«
    »Klingt gut. Grüßen Sie Ihre Freundin von mir.«
    »Mach ich.«
    Lee legte auf und zog das Telefon aus der Buchse.
    »So«, sagte er. »Wo waren wir stehen geblieben?«
    »Ich glaube«, lachte Kathy, »wir waren gerade erst am Anfang.«

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