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Gott geweiht

Gott geweiht

Titel: Gott geweiht
Autoren: C.E. Lawrence
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Hughes? Sind Sie da?« Er klopfte laut mit den Fingerknöcheln gegen die Tür. Er brannte darauf, ins Haus zu stürmen, doch sie hatten keinen Durchsuchungsbefehl, und das Letzte, was sie jetzt brauchten, war, dass der ganze Fall vor Gericht abgewiesen wurde.
    »Ich glaub nicht, dass irgendjemand da drin ist«, sagte Butts und scharrte mit den Füßen. Auch er war ungeduldig und nervös.
    »Die Tür steht offen«, sagte Lee. »Meinen Sie, wir sollten –«
    Doch in diesem Moment erkannte er, was die Tür blockierte. Als seine Augen sich an das schummrige Innere des Hauses gewöhnt hatten, konnte er ein Paar Damenschuhe ausmachen – in denen noch immer die Füße ihrer Besitzerin steckten. Sie lag in der Diele, von der Tür halb verdeckt, aber trotz der Dunkelheit konnte Lee ihre Füße erkennen, ihre Beine und – war das Blut?
    Er drehte sich zu Butts um. »Wir gehen rein. Geben Sie mir Deckung.«
    »Ich denke nicht, dass wir –«, setzte Butts an, doch mehr brachte er nicht heraus.
    Lee wartete nicht, bis Butts seine Waffe zog. Er drückte mit seiner Schulter gegen die Tür.
    Was er sah, ließ ihm den Atem stocken.
    Die tote Frau vor ihm war nackt, genau wie die anderen Opfer des Schlitzers. Doch selbst der schlimmste Tatort zuvor war harmlos im Vergleich mit diesem Blutbad. Diese Leiche war nicht sorgfältig mit ausgebreiteten Armen zur Schau gestellt worden. Sie lag rücklings auf dem Boden, die Hände über dem Kopf ausgestreckt, als hätte sie sie hochgerissen. An ihrem Hals klaffte eine tiefe Schnittwunde, wo man ihr die Kehle durchgeschnitten hatte. Ein dunkles Rinnsal getrockneten Bluts schlängelte sich von ihrem Hals über den weißen Linoleumboden.
    »Mein Gott«, entfuhr es Butts leise hinter ihm, als er in die Diele spähte. Überall waren Blutspritzer – auf dem Boden, an den Wänden, auf den Möbeln, selbst an der Decke.
    Das Opfer war zierlich – wie ihr Sohn, ging es Lee durch den Sinn – und im Gegensatz zu den anderen Opfern war sie mittleren Alters, dabei aber schlank und fit.
    Auf ihrer Brust prangten die Worte: Erlöse uns von dem Bösen .
    Es war das Musterbeispiel eines Overkills. Der Mörder hatte ihr nicht nur die Kehle durchschnitten und Worte in die Brust geschlitzt, er hatte ihr auch die Kleider vom Leib gerissen, die nun zerfetzt um sie verstreut lagen. Ihre Gliedmaßen zeigten in alle Richtungen. Es war möglich, dass sie in dieser Haltung gefallen war, doch Lee hielt es für wahrscheinlicher, dass der Mörder sie bewusst so drapiert hatte.
    Lee kniete sich hin und fühlte nach einem Puls, obwohl er wusste, dass es vergeblich war. Ihre toten Augen starrten tadelnd an die Decke. Ihr Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Schock und Ungläubigkeit, so als könnte sie nicht begreifen, was diese abgrundtiefe Grausamkeit und Brutalität in ihrem eigen Fleisch und Blut heraufbeschworen hatte.
    Lee richtete sich auf und wandte sich zu Butts um, der auf Mrs. Hughes herabstarrte.
    »Jetzt hat er den Menschen getötet, den er von Anfang an töten wollte«, erklärte Lee.
    »Dann haben wir also endlich unseren Mann«, bemerkte Butts.
    »Nur dass wir ihn noch nicht haben«, entgegnete Lee. Er berührte die Hände der Toten. Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt, was darauf hindeutete, dass der Tod schon einige Stunden zuvor eingetreten war.
    »Denken Sie, es hat etwas zu bedeuten, dass er einen Teil des Vaterunsers übersprungen hat?«, fragte Butts und studierte die Leiche eingehend. »Ich meine, müssen wir uns darauf gefasst machen, dass weitere Opfer auftauchen?«
    »Nach dem hier zu urteilen, gerät er immer mehr außer Kontrolle, wird immer planloser. Ich denke, er ist auf der Flucht.«
    »Ich melde es der Zentrale«, sagte Butts und holte sein Handy heraus.
    »Okay«, sagte Lee. »Ich werde mich umschauen.« Es bestand eine vage Chance, dass Samuel noch immer hier war – eine sehr vage Chance unter den gegebenen Umständen, dachte Lee bei sich. Der Mord an seiner Mutter stellte die Kulmination seiner Gewalt dar, den letzten – und authentischsten – Racheakt in der Kette der bislang symbolischen Tötungen. Das machte ihn verletzlicher, doch auch unendlich gefährlicher.
    Lee ging von der Diele in ein kleines, doch ordentliches und mit religiösen Bildern geschmücktes Wohnzimmer. Er erhaschte einen flüchtigen Blick auf etwas Weißes, das um die Ecke verschwand – höchstwahrscheinlich eine Katze. Er schaute sich im Zimmer um. Kleine Statuen der Heiligen Familie zierten den
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