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Extra scha(r)f

Extra scha(r)f

Titel: Extra scha(r)f
Autoren: Maria Beaumont
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Das bisschen, in dem ich mich in Lydia verwandle
    »Ssssssst!«, zischt Daniel mir in der Lautstärke einer Luftschutzsirene zu. »Dein Gekicher kann man noch eine Meile entfernt hören.«
    Was soll ich sagen? Ich bin aufgeregt. Und wenn man aufgeregt ist, kommt es schon mal vor, dass man kichern muss, oder nicht? Ist es nicht Eminem, der sich vor jedem Auftritt vor Aufregung fast in die Hosen macht? Falls nicht Eminem, dann garantiert Gareth Gates.
    »Okay, du darfst alles tun, nur nicht niesen«, flüstert Daniel mir zu.
    Oh mein Gott. Die Macht der Suggestion. Ich drücke meine Nase mit beiden Händen zu. Es klappt, aber bloß, weil ich keine Luft bekomme. Ich ersticke mich praktisch selbst, aber ich kann die Hände nicht wegnehmen aus Angst, niesen oder kichern oder beides gleichzeitig zu müssen und so das kostbare weiße Pulver in den Orbit zu blasen. Oh Mann, ich sterbe gleich ... brauche ... Sauer... stoff ... Entweder ich oder das Kokain. Einfache Wahl, nicht? Der Koks sieht aus wie Puderzucker, eingefaltet in eine abgerissene Ecke aus einer Illustrierten von vergangener Woche, wohingegen ich ein empfindsames und schönes menschliches Wesen bin (jedenfalls wenn man von dem bisschen Speck auf meinen Hüften absieht). Die Wahl fällt wirklich nicht schwer. Ich gewinne. Ich nehme die Hände von der Nase und sauge geräuschvoll und anhaltend den Sauerstoff im Raum ein, bis es durch den abfallenden Luftdruck in meinen Ohren knackt.
    »Wenn du so viel Schiss hast, dann vergessen wir die Sache besser, Charlie«, zischt Daniel mich an. »Und atme gefälligst leiser. Wenn uns jemand hört, sind wir tot.«
    »Ach, übertreib doch nicht immer so. Von Sterben kann keine Rede sein. Wir werden höchstens gefeuert ... und verhaftet ... und in den Knast gesteckt. Bitte, sag mir auf der Stelle, dass du die Tür abgeschlossen hast.«
    »Klar habe ich abgeschlossen. Halt jetzt um Himmels willen endlich die Klappe, damit ich mich konzentrieren kann.«
    Ich halte die Klappe und beobachte, wie Daniel sich konzentriert. Das habe ich schon in Dutzenden Filmen gesehen. Man nehme ein kleines Häufchen weißes Pulver und verwandele es mithilfe einer geschickten Hand und einer goldenen Kreditkarte in zwei kerzengerade Linien. Daniel besitzt keine goldene Kreditkarte. Er besitzt nicht einmal eine ordinäre Kundenkarte. Stattdessen nimmt er den Zeigefinger, der stark zittert (sodass seine Lines eher sich krümmenden Würmern ähneln) und schweißnass ist (sodass der Koks an seinem Finger kleben statt auf dem Tisch liegen bleibt). Offenbar hat Daniel genauso viel Schiss wie ich.
    Es ist so uncool, wenn man keinerlei Erfahrung mit Drogen hat. Ich bin jetzt vierundzwanzig und habe noch kein einziges Mal an einem Joint gezogen - nicht einmal an einer Zigarette. Daniel ist mir einen Tick voraus. Aber nur einen klitzekleinen Tick. Gestern Abend hat er zum ersten Mal gekokst, wie er mir heute Morgen direkt bei Arbeitsbeginn begeistert erzählt hat. Außerdem hatte er die abgerissene Ecke aus der Illustrierten dabei und lag mir den ganzen Vormittag in den Ohren, den Inhalt mit ihm zusammen auszuprobieren. Aus diesem Grund haben wir uns im Büro des Chefs eingeschlossen.
    Wir befinden uns im siebten Stock von The Zone , Londons angesagtestem Fitnessstudio. Und zwar so angesagt, dass wir uns nicht als Fitnessstudio bezeichnen. Nein, wir sind das Zentrum der totalen körperlichen Vervollkommnung. Abgesehen von meinen Atemzügen ist das einzige Geräusch, das hier zu hören ist, das Klaviergeklimper, das sich aus dem Ballettsaal durch den Korridor schlängelt. Die totale körperliche Vervollkommnung, klassische Klaviermusik, Ballett - alles Dinge, die nichts mit Drogen zu tun haben. Dazu kommt die Null-Toleranz-Geschäftsordnung im The Zone ... Daniel und ich müssen den Verstand verloren haben.
    Daniels Lines werden immer krummer, und er macht einen gestressten Eindruck. Dabei dachte ich immer, Drogen heben die Stimmung (außer natürlich man endet als Junkie und ist gezwungen, alles für den nächsten Schuss zu verkaufen, vom Discman bis zum eigenen, zerstochenen Körper). Eine kleine Aufheiterung könnte jetzt nicht schaden. Prompt fällt mir ein witziger Spruch ein, und ich gebe ihn zum Besten. »Hey, hör dir den an: Was habe ich mit Cheech und Chong außer den Anfangsbuchstaben gemeinsam? Na?« Mein Lachen klingt leicht hysterisch, da ich mir, wie bereits erklärt, vor Angst fast in die Hosen mache.
    »Still«, fährt Daniel mich an, sichtlich
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