Gnosis
schreckte zurück und fragte sich, ob wohl morgen früh der nächste grün und blau geprügelte Wachmann Anzeige erstatten würde.
«Denk nicht daran», sagte Michael, als könnte er ihre Gedanken lesen. «Denk an uns.»
«Es gibt kein ‹wir› mehr. Hast du vergessen, dass du verheiratet bist?»
Wieder streckte er die Hand nach ihr aus, doch diesmal wich sie nicht zurück. Trotzig starrte sie ihn an, wildentschlossen, sich nie wieder von seiner Berührung in den Sumpf der Lust reißen zu lassen – wie so oft. Doch als sie seine Berührung auf der Haut spürte, war es, wie es schon immer gewesen war. Ihre Willenskraft kapitulierte vor der Leidenschaft.
Er legte eine Hand in ihren Nacken und sah ihr unablässig in die Augen, während er sanft über ihre Wange strich. Dann fuhr er zärtlich mit den Fingern über ihr Gesicht und zeichnete die Lippen nach. Er berührte ihr Kinn, die Hand wanderte ihren Hals hinab. Als er das Silberkreuz berührte, wich ihr Begehren augenblicklich harschem Widerwillen.
Was tue ich hier? Er hat mich belogen. Ich darf nicht zulassen, dass er mich wieder verführt. Niemals.
Energisch stieß sie ihn von sich. «Ich möchte, dass du gehst!»
«Winter, ich liebe …»
«Erzähl das deiner Frau.»
«Ich bin nicht verheiratet.»
«Was du nicht sagst. Und wer war dann die Frau, die auf der Titelseite der New York Post geweint hat?» Niemals würde Winter vergessen, wie sie sich gefühlt hatte, als sie die Schlagzeile las, die flammende Gewissheit, verraten worden zu sein: TRÄNEN WEGEN GEIGENDER TRAUMFRAU!
«Ich habe Felicia verlassen, damit wir zusammen sein können.»
«Da gibt es nur ein Problem: Ich will nicht mit dir zusammen sein.»
Wieder wollte Michael ihr Gesicht berühren, doch Winter stieß ihn zurück. «Geh! Es ist mein Ernst.»
In diesem Moment kam Carol Royce herein. «Winter, ich habe ganz vergessen …» Ihr Satz erstarb, als sie Michael sah. «Lassen Sie meine Tochter in Ruhe!»
«Verschwinde, Carol! Das geht dich nichts an.»
«Das tut es sehr wohl!»
Carol Royce marschierte durch den Raum und wollte sich zwischen die beiden drängen, doch Michael stieß sie grob zur Seite. Winters Mutter taumelte rückwärts, schlug mit dem Kopf an die Wand und ging zu Boden.
«Mom!» Winter wollte an Michael vorbei, aber er packte ihre nackten Oberarme und hielt sie fest.
«Winter, bitte! Ich liebe dich!»
Schmerzhaft gruben sich seine Finger in ihre Haut.
«Lass los! Du tust mir weh!»
«Ich kann dich nicht loslassen», sagte Michael zitternd. «Wieso willst du das nicht begreifen?»
«Ich liebe dich nicht mehr! Wieso kannst du das nicht begreifen?»
Er holte aus und schlug ihr ins Gesicht. Winters Kopf flog zurück, und sie biss sich die Zunge blutig.
«Ich habe alles für dich aufgegeben!» Wieder schlug Michael zu, mit der flachen Hand. «Du darfst mich nicht verlassen!» Er stieß sie an die Wand. «Du gehörst zu mir! Ich weiß, dass du mich liebst! Ich kann es spüren, wenn du spielst!»
«Du brauchst Hilfe, Michael», keuchte Winter, und ihr Herz raste wie wild. «Lass mich los, und ich verspreche dir, dass alles wieder gut wird.»
«Nein. Nichts wird wieder gut, wenn ich dich nicht haben kann.»
Er versuchte, sie zu küssen, doch Winter wandte sich ab. Wütend packte Michael ihr Kinn und drehte mit Gewalt ihr Gesicht zu sich herum. Seine Augen zuckten.
«Du liebst mich», flüsterte er. «Ich weiß es.»
Winter versuchte, den Kopf abzuwenden, doch sie konnte sich nicht rühren.
«Du bist krank, Michael. Bitte, ich kann dir helfen!»
«Ich bin nicht krank!», schrie Michael. Er schloss seine Hand um ihre Kehle und drückte zu. «Ich bin nicht krank …»
Winter rang nach Luft, der Schmerz war fürchterlich.
«Du bist krank», knurrte Michael. «Du führst mich in Versuchung! Es ist deine Schuld!»
Winter streckte ihre Hand aus, tastete auf dem Schminktisch nach etwas, womit sie sich verteidigen könnte. Schwarze Flecken blitzten vor ihren Augen auf, als er noch fester zudrückte.
«Du bist schuld!»
Winters Finger berührten etwas Kaltes, Metallisches. Eine Schere.
«Du bist …!»
Winters Körper reagierte reflexartig. Sie holte mit der Schere aus und stach zu. Augenblicklich ließ Michael los. Rasselnd sog Winter Luft in ihre Lungen. Michael riss überrascht die Augen auf, als er den silbernen Griff berührte, der aus seinem Hals ragte. Eine Sekunde lang bewegten sie sich beide nicht, und Winter starrte nur das schmale, blutrote Rinnsal an,
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