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0485 - Die Furie

0485 - Die Furie

Titel: 0485 - Die Furie
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Der weiße Cadillac schwamm im Verkehrsfluß mit. Einige hundert PS aus über 8 Litern Hubraum sorgten für souveräne, kraftvoll-geräuschlose Fortbewegung auch im hektischen Stadtverkehr und dafür, daß die Mineralölfirmen keine Bankrotterklärung abgeben mußten. Zwischen zwanzig und dreißig Litern Benzin schlürfte der Motor selbst bei gemäßigter Fortbewegung allemal. Dafür aber bleifrei und schadstoffarm; zwei Katalysatoren in der Auspuffanlage sorgten dafür, daß die giftigen Verbrennungsgase sich in Maßen hielten. Relativ gesehen. Ein Kleinwagen, der allenfalls ein Viertel dessen verbrauchte, was der Caddy an Sprit soff, produzierte natürlich auch nur ein Viertel der Abgase; der in diesen Dingen recht nachlässigen Art der Franzosen zufolge aber meistens noch in schmutzigster Form, weil es hier im Gegensatz zum Nachbarland Allemagne keine staatliche Förderung für die Nachrüstung mit Abgaskatalysatoren gab und man den Umbau deshalb zumeist als zu teuer einstufte - und je älter das Vehikel, um so größer die Kosten. Nicole Duvals Cadillac war auch alt - 1959 war er als Cabrio in Detroit vom Band gelaufen. Und längst auf Schadstoffarmut umgerüstet. Wenn schon ein großes Auto mit einem großen Motor, dann aber auch richtig!
    Der chromblitzende Straßenkreuzer mit den größten Heckflossen aller Zeiten paßte in Städten wie Paris oder Lyon in kaum eine Parklücke. Dafür konnte man im Wageninnern aber auch mal kräftig einatmen, ohne gleich den Beifahrer quer unter den Nasenlöchern hängen zu haben, und im Falle eines Unfalles bot die ausladende, massive Karosserie wesentlich besseren Schutz als ein Kleinwagen, denn bis sich diese großen Flächen bis zum Fahrer hin verformten, brauchte es selbst beim kritischen Seitenaufprall einige Zeit und erhebliche Aufprallwucht.
    Mit ein Grund für Nicole Duval, diesen Wagen zu bevorzugen - abgesehen davon, daß sie die langgestreckte, flache und breite Form mit all dem funkelnden Zierrat einfach mochte. Außerdem besaß dieses Fahrzeug Charakter, weil es sich von den windkanalgeglätteten Einheitsfabrikaten doch deutlich abhob, die oftmals höchstens noch bei peniblem Studium des Typenschildes voneinander zu unterscheiden waren - oder durch die Anordnung der Farbklecks-Aufkleber, die in der letzten Zeit geradezu seuchenartige Verbreitung gefunden hatten und vorzugsweise von Motorhauben rasch und häßlich abblätterten, weil der Klebstoff die Erwärmung nicht vertrug.
    Rechts und links hupte und stank es; durchgerostete Auspuffrohre, hochdrehende Motörchen und lautstarke Musik bei offenen Fenstern würzten die Hintergrundakustik des Feierabendverkehrs. Nicole war nahe daran, aufs Knöpfchen zu drücken und den elektrischen Schließmechanismus des Cabrioverdecks in Tätigkeit zu setzen, um wenigstens halbwegs Ruhe zu finden. Professor Zamorra hatte auf dem Beifahrersitz die Ohren längst auf Durchzug geschaltet und träumte von seinem neuen BMW 740i, für den er gerade den Leasingvertrag unterschrieben hatte; eigentlicher Grund ihres Aufenthaltes in Lyon. Das Fahrzeug mußte nur noch angeliefert werden; Oberklassenf ahrzeuge dieser Art hatte selbst der BMW-Händler in Lyon nicht sofort greifbar. Zamorras bisheriger 735i war vor ein paar Wochen durch dämonische Aktivitäten zerstört worden, und es hatte eine Menge Ärger mit der Versicherung gegeben. Aber jetzt stieg Zamorra von sechs zu acht Zylindern auf; er war gespannt, wie der praktisch blind georderte Wagen sich in der Fahrpraxis bewährte.
    »Du wolltest ja nur motormäßig zu mir aufschließen«, hatte Nicole freundlich gespöttelt. »Aber ich habe immer noch doppelt so viel Hubraum!« Und sie hatte triumphierend auf die endlos lange Motorhaube ihres Wagens geklopft.
    Jetzt stoppte sie plötzlich.
    Hinter ihnen erklang ein wütendes Hupkonzert. Es bestand zwar kein Halteverbot an dieser Stelle, aber wenn die Fahrzeuge hinter Nicole vorwärts kommen wollten, mußten sie sich jetzt mit den Benutzern der mittleren Fahrspur einig werden, und das Reißverschlußsystem funktionierte nur in seltenen Fällen. In Rom oder Neapel, dachte Nicole fast wehmütig, hätte das besser funktioniert. Aber die Franzosen waren nun mal nicht so gute Autofahrer wie die Italiener; noch schlimmer und rechthaberischer waren höchstens die deutschen…
    »Schau dir das an«, verlangte Nicole mit ausgestrecktem Arm.
    Zamorra deutete auf den Rückspiegel. »Schau dir das an«, bat er. Nicole seufzte und fuhr den Caddy ein
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