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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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das an seinem Hals herunterlief.
    Dann schien er zu neuen Kräften zu kommen. Er riss sich die Schere mit ekelhaftem Schmatzen heraus. Michael betrachtete das blutverschmierte Ding, dann sah er Winter an, als könnte er es nicht fassen. Er wollte etwas sagen, doch er brachte nur ein Gurgeln heraus, weil sein Mund voll Blut war. Röchelnd hielt er sich den Hals und trat ruckartig zurück. Dann wurde sein Blick starr, und er sank zu Boden.
    «Oh, mein Gott», sagte Winter und zitterte am ganzen Leib. «Was habe ich getan?»

KAPITEL 5
29. DEZEMBER 2007 – 17:23 UHR (54 STUNDEN, 37 MINUTEN BIS ZUR NACHT DES JÜNGSTEN GERICHTS)
     
     
    Elijah biss die Zähne zusammen, als er sich unter die Menge mischte, die den matschigen Bürgersteig entlanghetzte. Eisiger Wind peitschte gegen seine Wangen. Er genoss den Schmerz. Solange dieser ihn von den vielen Menschen ablenkte. Jerry Seinfelds Freundin plapperte in seinem Kopfhörer.
    «Ich will mir nur die Hände waschen.»
    «Gute Idee. Am Haken hängt ein Badelaken.»
    Als das Gelächter vom Band aufbrandete, sog Elijah die kalte Luft ein und zwang sich zum Weitergehen, obwohl alle seine Instinkte schrien, er solle wieder umkehren. Er versuchte, sich seine Ängste auszureden.
    Es lässt sich unmöglich sagen, ob diese Leute eigentlich real sind. Ich weiß nur, dass ich sie wahrnehme. Und Wahrnehmungen – selbst Wahrnehmungen von Millionen Menschen –, können mir nichts anhaben.
    Doch Elijah war nicht durch philosophische Zitate zu beruhigen. Nicht heute Abend. Ob er die Menschen fürchtete – oder nur seine «Wahrnehmung» der Menschen –, war egal. So oder so: Elijah hatte panische Angst. Er rang den erstickenden Drang nieder, sich an die nächstbeste Mauer zu drücken, und zwang sich, größere Schritte zu machen. Zügig drängte er sich zwischen Touristen, Kauflustigen, Geschäftsleuten, Müttern mit Kindern hindurch, in dem wahnsinnigen Versuch, das Hotel zu erreichen, bevor er eine Panikattacke erlitt.
    Bald schon rannte er beinah, um den Phantomen zu entkommen, die in seinem Kopf spukten. Er trat auf die Straße hinaus, und ein Taxi hupte. Also sprang er wieder auf den Bordstein zurück, doch das Taxi hatte ihn schon nass gespritzt. Wie erstarrt blieb er stehen, während sich hinter ihm die Menschen sammelten und darauf warteten, dass die Ampel umsprang.
    Entspann dich. New York ist gar nicht so übel. Denk an die vielen Serien, die hier spielen.
    Seinfeld. Die Cosby Show. Friends. The Jeffersons. Mad About You. Diff’rent Strokes. Will & Grace. Chaos City. Sex in the City. Caroline in the City.
    Die sind nicht alle lustig. Was ist mit Midnight Cowboy, Ein Mann sieht rot und Taxi Driver? Und vergiss nicht den Kurt-Russell-Klassiker, den jeder mag: Die Klapperschlange.
    Es dauerte ewig, bis die Ampel grün wurde. Elijah versuchte, sich darauf zu konzentrieren, was Kramer sagte, doch das Chaos seiner Gedanken war nicht in den Griff zu bekommen.
    Er schüttelte den Kopf, und seine Panik wuchs. Jeden Augenblick würde er durchdrehen. Heute war der Tag, an dem seine Phobien
    Das ist keine Phobie! Das ist real!
    explodieren und ihn endgültig zu Fall bringen würden. Das Blut gefror ihm in den Adern. Er würde es nicht bis zum Hotel schaffen. Er …
    Plötzlich wurde die Ampel grün, was Elijah aus seinen Gedanken riss. Die rote Hand wich einem weißen Männchen. Das Bild erinnerte ihn an die Kreideumrisse bei CSI. Genauso wie damals, nachdem er niedergetrampelt worden war von diesem …
    HÖR AUF!
    Elijah trat vom Bordstein und führte die Menge an, wie eine Armee auf dem Weg in die Schlacht. Auf der anderen Straßenseite sah er eine atemberaubend schöne dunkelhäutige Frau – Angela Bassett aus Strange Days. Sie schnippte ihre Zigarette auf den Zebrastreifen und trat sie mit ihrem spitzen, hochhackigen Stiefel aus, während sie ihm entgegenkam.
    Das kurze, stachelige Haar passte perfekt zu ihr. Angela Bassett hatte so ein Gesicht, das fünfundzwanzig oder fünfundvierzig sein konnte, jugendlich und doch abgeklärt. Sie ging zielstrebig, fast hoheitsvoll, wie eine Prinzessin – oder eine Soldatin. Als sie näher kam, sah sie ihm direkt in die Augen.
    Normalerweise hätte sich Elijah von derart eindringlichen Blicken abgewandt, doch die Kraft und Leidenschaft dieser Frau faszinierten ihn. Und obwohl er sicher war, dass er sie nicht kannte, wusste er doch genau, dass er sie schon einmal gesehen hatte, wie in einem Traum. Zu seiner Überraschung bedauerte er einen

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