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Schwarzer, Wolf, Skin

Schwarzer, Wolf, Skin

Titel: Schwarzer, Wolf, Skin
Autoren: Marie Hagemann
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    »Schwarzer Wolf«, sagte einer aus dem Hintergrund. Nur so aus Jux.
    »Echt stark!« Jon strich mit der Hand über die Bahn, die er mit der Haarschneidemaschine gerade abrasiert hatte. Mitten über meinen Kopf lief eine völlig kahle Bahn. Sah witzig aus.
    »Schwarzer Wolf.« Ich schaute in den Spiegel. Ich sah mich an. Mein richtiger Name ist Wolfgang Schwarzer. Aber alle sagen zu mir: »Schwarzer Wolf«. Ich habe schwarze Augen. Schwarze Jeans. Meine Bomberjacke. Bin halt ein Schwarzer Wolf: stark, schwarz, gefährlich, saugut eben.
    »Jetzt noch die Seiten«, sagte ich zu Jon und strich mir ein letztes Mal über meine Stoppelhaare, die gleich weg sein würden.
    Die Musik drehte voll auf. Ich steh nicht so auf Rap. »He, haste nicht mal was anderes als diese ätzende Jammermusik?«
    »Schon gut«, murmelte Fried von hinten, »schon gut.«
    Ich weiß, daß Fried voll auf Rap steht. Aber wir andern, wir hören lieber »unsere« Lieder. Fried ist einer von denen, die lieber die Schnauze halten, statt ‘ne eigene Meinung zu haben. Auf jeden Fall bei uns. Ausnahme ist die Musik. Da steht er voll drauf. Kann der wahrscheinlich gar nicht, den Mund aufmachen. Der wird immer rot und stottert los. Das Reden, das hast du gelernt oder nicht. Und Nicker, die die Schnauze halten, muß es ja auch geben. Der braucht immer einen, der ihm sagt, wo’s langgeht, der Fried. Und dann ist er auch top drauf. Macht alles mit. Er spielte ‘ne neue Musik an:
     
    Er ist ein Skinhead und Faschist.
    Er hat ‘ne Glatze und ist Rassist.
    Moral und Herz besitzt er nicht.
    Haß und Gewalt zeichnen sein Gesicht.
    Er liebt den Krieg und liebt die Gewalt,
    und bist du sein Feind, dann macht er dich kalt.
     
    Das Lied paßte. Das Instrumental war geil.
    »Hey, Jungs, schaut mal!« Ich strich mir über den Kopf. Alles blank.
    Im Spiegel mein Gesicht: die breiten Backenknochen, die breite Nase – als wenn sie einer platt gemacht hätte. Ich bin groß und stark. Gut gebaut. Gegen mich kommt keiner so schnell an. Ich muß überall aufräumen. Kurz und bündig die andern plattmachen, wenn sie was wollen. Macht Spaß. Die meisten verziehen sich schon, wenn sie mich sehen oder wenn ich mal eben so meine Faust hochhebe. Das reicht. Macht Spaß, wenn die andern Angst haben! Wenn sie schreien und wegrennen. Macht Jux. Echt geil, Mann.
    Moral und Herz besitzt er nicht, kam gerade aus dem Recorder.
    »Wer geht mit zum Bahnhof? Saufen und Türken anmachen. Nur so ‘n bißchen kitzeln«, rief ich. »Ich geb einen aus.« Wolf Schwarzer, Skinhead! Ich strich mir über meinen Kopf. Immer wieder. Echt stark, das Gefühl. Ich zog an meinen Hosenträgern, angelte die schwarze Bomberjacke vom Haken. Auf der Brust ein Schild: Ich hin stolz, ein Deutscher zu sein. Das hatte ich mir vor einem Monat zugelegt. Stimmt nicht ganz. Der alte Motte, Dolfs Vater, hatte es uns zu Führers Geburtstag geschenkt. Echt guter Typ. Hat so ‘n Gefühl für uns, der Alte.
    Stolz, ein Deutscher zu sein! Steh ich eigentlich gar nicht voll dahinter, bin nämlich kein Rep oder so, aber mit der Zeit kommst du da von selbst hin, bei uns auf jeden Fall! Dann ziehen wir durch die Straßen, singen unsere Lieder. Da ist Verbundenheit, wie ich sie bis jetzt noch nie gespürt hab.
    Und dann begegnest du den Türken. Davon wimmelt’s ja bei uns. Die fühlen sich natürlich immer sofort angegriffen. Erst ein bißchen kitzeln. Und je mehr du gesoffen hast, desto kräftiger wird geschlagen, bis die Bullen kommen.
    Die Rechten wollen uns am liebsten in ihrer Partei. Aber so weit geht’s nicht, nicht bei mir und meinen Kumpels. Wir wollen Zoff!
    Wir haben natürlich auch Zoff untereinander, klar. Wird mal getreten. Dann kriegste eben eins in die Schnauze. Das gehört dazu.
    Hatte schon zwei Bier. Nach dreien fühl ich mich immer toft. Andy ist mitgekommen, die andern wollten später nachkommen. Jon wollte ihnen noch die Köpfe rasieren. Eigentlich ein bißchen gefährlich, nachts zu zweit zu laufen. Vor allem, wenn man loszog, um Türken zu kitzeln. Schließlich hatten wir das Gesocks in letzter Zeit nicht schlecht aufgemischt. Aber wir paßten schon auf! Wir standen im Dunkeln, Andy und ich, die Flasche am Hals. Guckten rum. Nur so.
    Da wurde der Andy plötzlich von hinten gepackt. Türken, Hundesöhne. Sofort kreisten sie uns ein. Verflixt, daß wir nicht auf die andern gewartet hatten! Zu zweit schafften wir das nicht. Das waren wohl fünf. Aber wo war Andy? Ich sah ihn nicht
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