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Gilgamesch - Der Untergang

Gilgamesch - Der Untergang

Titel: Gilgamesch - Der Untergang
Autoren: Andreas Geist
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Deshalb ist unsere Vorstellung von Plausibilität hinfällig. Ereignisse und Menschen, die für uns ohne Verbindung und durch Jahrhunderte getrennt zu sein scheinen, stehen nebeneinander vor diesem Bücherregal. Öffnet sich so ein Loch der Raumzeit in unser Universum, dann ist die Folge eine Kumulation von Ereignissen. Katastrophen aber auch positive Dinge, die sonst über lange Zeiträume verteilt sind, werden gleichzeitig. Klingt vielleicht jetzt etwas theatralisch, aber es kommt zwangsläufig zu einem endzeitlichen Kampf. Der Kampf Gut gegen Böse ist Bestandteil vieler Religionen“.
    „Aber was ist mit diesen kultischen Gegenständen? Steckt in einem Stück Holz die Macht über Leben und Tod, über den Ort der Seelen? Ist es ein Zauberstab, der mit der richtigen Zauberformel ein mächtiges Eigenleben entwickelt?“, fragte Herbert skeptisch.
    Christopher dachte einen Moment lang nach.
    „Ich weiß es nicht. Das Öffnen der Wurmlöcher ist die Stunde der Druiden, Schamanen und Priester. Kultgegenstände gehören zu ihrem Handwerkszeug seit den Anfängen der Menschheit. Ich habe die Spitze des Hirschgeweihs, die Heinrich durchbohrte, in der Hand des Druiden im Tunnel der Schwarzwaldbahn gesehen.“
    Dann fiel ihm noch etwas ein, und er schaute verblüfft auf.
    „Der Druide hat mit dieser Geweihspitze meine Fuß- und Handrücken berührt. Er war es, der mir die Wunden zugefügt hat, und jetzt ahne ich auch warum. Das Durchbohren der Hände und Füße folgt einer uralten keltischen Akupunkturlehre. Auch die Auguren der Römer kannten diese Punkte. Kreuzigung war also in mehrfacher Hinsicht die grausamste Art der Hinrichtung. Wusstest Du das?“
    Herbert schaute ihn überrascht an.
    „Die Verletzung dieser vier Extremitätenpunkte stört alle Energiebahnen. Du bist wie ein offenes Gefäß, und der Schamane erhält damit Zugang zu Deiner Seele. Ich bin froh, dass dieser Schamane nicht Gryphius war.“
    Christopher dachte noch einmal angestrengt nach.
    „Vielleicht können diese Gegenstände tatsächlich Ereignisse auslösen oder verhindern. Genau das war die Aufgabe der goldenen Scheibe des Quetzalcoatl. Ich glaube, das funktioniert aber nur, wenn sie in die richtigen Hände gelangen, die sie in einem komplizierten Zusammenspiel von Zeiten und Orten benutzen. Dazu braucht es den Zauberer. Er muss den Stand der Rädchen im Uhrwerk des Äons deuten und den richtigen Moment erkennen“.
    Christopher schwieg. Es gab einen Platz, der im großen Plan auch für ihn vorgesehen war, und er würde diesen Platz einnehmen.
     
    Die Menschen fanden zurück in ihren Alltag, denn die Zeit war wieder ein funktionierender Bestandteil ihres Universums geworden und erfüllte erneut ihre wichtigste Aufgabe:
    Sie lies die Erinnerungen verblassen, damit die Wunden heilen konnten.
     
    Er wusste nicht, ob es die Drogen waren, die Silvia ihm verabreicht hatte. Seit dem Kontakt mit den Pilzhalluzinogenen, die tatsächlich aus Yucatán stammten, hatte Christopher seltsame Träume, über die er zunächst mit niemandem sprach. Psilocybe mexicana, der mexikanische Kahlkopf, hatte von den Azteken den Namen Teonanacatl erhalten, was so viel bedeutete wie Fleisch der Götter. Man fand Spuren davon in seinen Haarproben, doch der Experte bei der Polizei hatte ihm versichert, dass keine dauerhaften Schäden zu befürchten seien. In seinen Träumen tauchte jetzt immer derselbe Mann auf. Es war der Mann, den Klara gesehen hatte, als sie auf der Flucht vor den Saturnbrüdern fast ertrunken wäre.
    Quetzalcoatl erinnerte ihn an etwas, das er vergessen hatte. Nun, da er sich zu jener anderen Seite bekannte, die seine übersteigerte Rationalität immer geleugnet hatte, öffnete sich eine Türe in seine Vergangenheit.
    Er eilte auf den Dachboden und nach kurzem Stöbern fand er, wonach er gesucht hatte. Er zog eine abgegriffene Zigarrenkiste unter einem Stapel Kinderbücher hervor. Sie war aus Kuba und ein Geschenk seiner Großmutter gewesen, die ihn abgöttisch geliebt hatte, und ihm immer wieder zu erklären versuchte, dass er kein gewöhnliches Kind sei. Sie war in ihrem Heimatdorf als Schamanin verehrt worden. Christopher hatte seinen Freunden voll stolz erzählt, dass seine Großmutter eine Wahrsagerin sei, doch als sie anfingen, Spottlieder auf die eigenwillige, alte Frau zu singen, wurde es ihm peinlich, und er wandte sich von ihr ab. Schließlich hatte auch er mitgesungen. Seine Großmutter war eine wunderbare, warmherzige Frau gewesen, und
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