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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel
Autoren: Patrick Woodhead
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    Kapitel 1
    Der Mann lief mit ausgestreckten Armen und gespreizten Fingern, als wollte er den Weg ertasten.
    Es war früh am Morgen, und die ersten Sonnenstrahlen erreichten gerade das Dschungeltal. Obwohl er sich im Schatten der gewaltigen Baumkronen bewegte, brannten die Augen des Mannes, als seien sie zum ersten Mal dem Tageslicht ausgesetzt. Dunkle Augenringe zeugten von Erschöpfung, seine Haut war aschgrau. Er kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, wohin er laufen sollte, aber da war nichts als dichter Dschungel.
    Unter den niedrigen Zweigen einer Akazie blieb er stehen. Sein Herz klopfte bis zum Hals, und in der Brust fühlte er einen stechenden Schmerz. Zwischen seinen nackten Zehen quoll schwarzer Schlamm empor, den er sekundenlang anstarrte, zu müde, um weiterzulaufen. Seit sechs Stunden rannte er durch den Dschungel, nun war er am Ende seiner Kräfte.
    Irgendwo hinter ihm raschelten Blätter, dann ertönte ein spitzer Schrei. Sie waren ihm auf den Fersen!
     
    Zweihundert Meter hinter ihm bewegten sich drei Kongolesen mit der Geschmeidigkeit von Jägern im heimischen Terrain. Ihre Bewegungen waren fließend und präzise, ihre Waffen trugen sie locker in der linken Hand, der rechte Arm war ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten. Sie teilten sich ihre Kräfte gut ein und joggten eher, als dass sie rannten. Dabei hatten sie das unwegsame Gelände gut im Blick, um Fehltritte oder Verletzungen zu vermeiden.
    Alle drei waren nackt, abgesehen von einer Schnur, die sie um die Taille trugen und deren Quasten zwischen ihren Beinen herabhingen. Der Anführer war größer als die beiden anderen. Sein Körper war muskulös und athletisch, seine schwarze Haut glänzte vor Schweiß, und seine weiten Nasenflügel bebten, wenn er einatmete. Er sah zum Wipfel einer großen Akazie auf und erkannte, dass der Fluss ganz in der Nähe sein musste.
    Er beschleunigte das Tempo, griff mit der rechten Hand nach einem Pfeil und strich damit über seinen Bogen, um die Sehne zu ertasten, ohne hinsehen zu müssen. Dann blieb er abrupt stehen und schoss den Pfeil ab. Hüfthoch zischte der Pfeil durch das dichte Blattwerk, verpasste sein Ziel jedoch um wenige Zentimeter und blieb in der Rinde eines dünnen Baumstamms stecken.
    Sie waren nun ganz nah, knapp zwanzig Meter hinter dem Mann. Junge Bäume, die er soeben passiert hatte, schwankten noch, wenn die Jäger daran vorbeikamen, und sie konnten seinen keuchenden Atem hören.
    Sie erklommen eine leichte Anhöhe und hatten offenes Gelände vor sich. Unter ihnen lag das braune Wasser des Flusses träge in der Sonne. Wie eine Riesenschlange wand sich der Fluss durch den Dschungel, und nur entlang seines Laufs war das im Umkreis von mehreren hundert Kilometern dichte Blätterdach unterbrochen.
    Der Anführer hob die Hand, um seine Augen vor der sengenden Sonne zu schützen, und beobachtete, wie feine, ringförmige Wellen die Wasseroberfläche kräuselten. Er brauchte bloß noch darauf zu warten, dass der Mann auftauchte, um Luft zu holen. Gleich darauf war es so weit. Der Mann warf den Kopf in den Nacken und schnappte nach Luft, während die Strömung ihn langsam weitertrieb.
    Die Jäger blieben noch einen Moment lang stehen und beobachteten den Mann. Dann zogen sie sich lautlos in den Dschungel zurück.
     
    Verzweifelt blickte sich der Mann um, ehe er die Richtung änderte und auf das gegenüberliegende Ufer zuschwamm. Seine Arme klatschten kraftlos aufs Wasser, und mit jedem Zug sank sein Kopf tiefer in die faulige Brühe. Er war so müde, dass er sich bald nur noch treiben lassen konnte. Das Wasser schwappte ihm in den Mund, und er hustete es keuchend aus, während die Strömung ihn auf eine Passage zutrieb, wo sich das Flussbett verengte und kahle Steinblöcke das Ufer säumten.
    Dort warteten schon die Jäger auf ihn, weit über die Felsen gebeugt. Der Mann versuchte unterzutauchen und ihnen zu entkommen, doch sehnige Finger tasteten im Wasser nach ihm und zogen ihn an Land.
    Keuchend lag der Mann auf dem Fels, zu erschöpft, um auch nur eine Hand zu heben oder sich irgendwie sonst zu wehren, während die Jäger ihm die Arme mit einer dünnen, festen Schnur auf den Rücken banden. Dann richteten sie ihn auf, legten eine Schlinge um seinen Hals und zogen sie zu, bis sie in seine Haut einschnitt. So führten sie ihn in den Dschungel zurück und gingen so dicht vor und hinter ihm, dass er noch die Überreste des Holzkohlefeuers riechen konnte,
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