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Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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jetzt wirklich gehen«, meinte die Schwester und wurde
allmählich unwirsch. »Das ist eine Rehaklinik – und Besuch sollte vorher
angemeldet werden.«
    »Alcatraz …«, wiederholte Dietrich bestätigend, nickte Hummel zu,
hustete und schlurfte nach draußen.
    »Oder Altenheim«, meinte Riesle.
    »Und? Schon einen Kurschatten gefunden?«, frotzelte er einige
Minuten später im Aufenthaltsraum.
    »Noch nicht mal die Benutzung des Fernsehers haben sie mir erlaubt«,
schimpfte Hummel.
    »Oje, du Ärmster! Ich komme aber sobald wie möglich wieder bei dir
vorbei, versprochen. Nächstes Mal bringe ich Elke mit. Die hat nämlich vorher
bei mir angerufen und wollte dich auch mal besuchen.«
    Hummel fielen mit Grausen die »guten Gespräche« ein, die Elke so am
Herzen lagen, auf die er selbst aber am liebsten verzichtet hätte.
    »Caro war auch schon da. Habt ihr eigentlich Kontakt?«, erkundigte
er sich und versuchte, das Thema zu wechseln.
    Bereits am frühen Nachmittag war Carolin nämlich als erster
Überraschungsbesuch dieses Tages in der Klinik vorbeigekommen. Hubertus hatte
sie zu einem Spaziergang überredet. Schön war es gewesen, fast schon romantisch.
    Über die bloße Schwärmerei waren sie in ihrer Beziehung mittlerweile
hinaus. Carolin schien einerseits mit einem baldigen Zusammenziehen zu
liebäugeln. Andererseits hütete sie sich, dies offen anzusprechen. Hummel ahnte
es mehr zwischen den Zeilen. Er wusste auch, dass sie sich durchaus vorstellen
konnte, Mutter zu werden. Denn ihre biologische Uhr tickte nicht nur dezent,
sie hämmerte wie auf einen Amboss.
    Riesle zuckte mit den Schultern. »Ich stamme noch aus einer Zeit, in
der Elke deine Frau war. Für deine Neue bin ich nicht zuständig.«
    Vermutlich hatte Hubertus’ Tochter Martina ihn mit diesem
Anti-Carolin-Virus angesteckt.
    »Ach, noch was, hätte ich fast vergessen«, meinte Riesle nun. »Ein
Mitbringsel.« Er zog ein Herrenmagazin, auf dessen Cover eine ziemlich nackte
Brünette posierte, aus der Tasche und überreichte es Hummel – nicht ohne es
demonstrativ herumzuzeigen.
    Dem war das – wie von Riesle beabsichtigt – überaus peinlich. »Hör
auf mit dem Quatsch.« Vorsichtig deponierte er es im Papierkorb des
Aufenthaltsraumes, was nun Riesle nicht gefiel, der es wieder herausholte und
wie eine Monstranz vor sich hertrug.
    Eine halbe Stunde später – Hummel hatte sich gerade von
seinem Freund verabschiedet – folgte die nächste Überraschung. Elke stürmte an
der Rezeption vorbei und fiel ihm in die Arme. Auch sie war den Ermahnungen der
Pförtnerin gegenüber, dass jetzt eigentlich schon keine Besuchszeit mehr sei,
nicht gerade aufgeschlossen. »Entschuldigung, aber das ist mein Mann!«
    Schon zückte sie ihren Ausweis zum Beweis ihrer Identität, klärte
die Pförtnerin über ihre eigene »in ausreichendem Maße« aktive und passive
therapeutische Erfahrung auf und bestand darauf, dass sie ihrem Gatten jetzt
zur Seite stehen müsse.
    Hubertus war das Ganze etwas unangenehm, zumal ihm Riesle zum
Abschied das Herrenmagazin wieder in die Hand gedrückt hatte, das Elke nun
verständnislos musterte.
    Dann ließ die Nochgattin sich haarklein den Verlauf der
psychologischen Einzelgespräche schildern, von denen Hubertus bereits zwei
hinter sich gebracht hatte. Er hatte die Fragen des Therapeuten als überaus
anmaßend und indiskret empfunden und keinerlei Interesse verspürt, über die
Häufigkeit seines Geschlechtsverkehrs sowie sein »Erregungspotenzial« Auskunft
zu geben.
    »Das ist aber wichtig, Huby«, meinte Elke und begründete das mit
irgendeinem esoterischen Unsinn. Und sosehr er sich im ersten Moment über den
Besuch gefreut hatte, sosehr er tatsächlich noch an Elke hing und ihre
Besorgnis zu schätzen wusste: Nach Feierabend noch tiefenpsychologische Gesprächsüberstunden
zu machen war das Letzte, was ihm derzeit vorschwebte.
    Doch Elke interessierte sich für alles und ließ sich diesen und
jenen Patienten vorstellen, der gerade ihren Weg kreuzte, als sie in der Lobby
herumliefen. Sie empfahl Hubertus Seidenmalerei zur Entspannung und wollte bei
einem vorbeikommenden Arzt sicherstellen, dass auch Reiki angewandt wurde, weil
die Kraftübertragungen durch das Kronenchakra bei Hubertus zweifelsohne eine
Beschleunigung des Heilungsprozesses garantieren würden.
    »Ich versuche bald wiederzukommen, Huby«, sagte sie zum Abschied.
Erst als sie weg war, fiel Hubertus ein, dass er nicht mit einem Satz danach
gefragt hatte, wie es
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