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Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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die er nach der Trennung von seiner Freundin vor drei Jahren gezogen war,
stand unter keinem guten Stern. Keine Frauen, kaum Exklusivstorys, und dank
seiner multikulturellen, aber einseitigen Ernährung wölbte sich mittlerweile
ein kleiner Bauch am einst so drahtigen Riesle-Körper, was natürlich auch mit
seinen Trinkgewohnheiten zu tun haben konnte.
    Mit einer neuen Wohnung würde man auch ein neues Leben beginnen,
sinnierte er. Allem Anfang wohnt ein Zauber inne, hätte sein Kumpel Hubertus
gesagt. Vielleicht war ein Umzug wirklich nicht das Schlechteste.
    Als er durch das Treppenhaus gen Ausgang schlurfte, wurden seine
Umzugsüberlegungen beschleunigt – durch eine kleine Frau mit einer blau-weiß
gepunkteten Schürze.
    Oh nein, Frau Gartmann!
    »Aha«, sagte die triumphierend und stellte sich ihm in den Weg,
sofern das mit ihren ein Meter achtundfünfzig überhaupt ging. Die Gartmann war
die eine Hälfte des Hausmeister-Ehepaars – die unangenehmere. Denn während der
Gatte im Normalfall den Mund hielt und bei technischen oder handwerklichen
Problemen mit anpackte, war seine Frau eine Hexe alten Schlages: Stets auf der
Suche nach Fehlern, die sie dem Mieter unter die Nase reiben konnte – seien es
ein paar Schuhe vor der Tür, ein nicht geleerter Briefkasten oder Lärm, der
auch nur eine Minute außerhalb der in der Hausordnung festgelegten Uhrzeiten
stattfand. In diesem Falle schien es aber auch schon zu genügen, um fünf vor
elf nicht bei der Arbeit, sondern im Hausgang erwischt zu werden.
    Die Gartmann war zudem völlig distanzlos: Mit nur etwa zehn
Zentimeter Abstand stand sie vor seiner Nase. Plus die fünfzehn Zentimeter, die
sie kleiner war als er.
    »Guten Morgen«, meinte Riesle mechanisch, ehe ihm einfiel: Auf
Körper- und Zahnpflege hatte er maximal eine der nunmehr dreizehn Minuten seit
dem Aufwachen verwendet – bei näherer Überlegung für die Zahnpflege sogar null
Minuten.
    Sie wies ihn schneidend auf etwas anderes hin. »Was hän mir für e
Woch?«
    Riesles Verstand kam zwar erst langsam in Gang, aber ihm war dennoch
klar, dass die richtige Antwort sicher nicht »die dritte Septemberwoche«
lautete. Die Frage war wohl eher rhetorischer Natur.
    Sie wiederholte: »Was hän mir für e Woch?«
    Riesle glotzte sie träge an, zuckte mit den Schultern und drängte
sich rechts an ihr vorbei in Richtung Haustür.
    Doch die Gartmann war flink. Sie überholte ihn und baute sich ein
paar Stufen weiter unten auf.
    »So goht des nit weiter«, schimpfte sie. Ehe Riesle nachfragen oder
sich aus dem Staub machen konnte, wirbelte sie herum zur Pinnwand, auf der die
Hausordnung angebracht war, und wiederholte zum dritten Mal: »Was hän mir für e
Woch?«
    Diesmal gab es die Antwort gleich dazu, denn neben der Hausordnung
befand sich ein Kalender, auf dem die verschiedenen Namen eingetragen waren:
»Kehrwoch! Kehrwoch, Herr Riesle!« Triumphierend fuhr ihr Zeigefinger zum aktuellen
Datum, wo er tatsächlich Riesle lesen konnte.
    Siegesgewiss wartete die Gartmann nun auf eine Entschuldigung. Aber
da konnte sie lange warten. Schließlich war es zehn Uhr sechsundfünfzig und er
eminent spät dran, wie er der Gartmann kurz und knapp erklärte.
    »So goht des nit, Herr Riesle«, schimpfte sie wieder. »Sie g’höre zu
de unzuverlässige Mieter. Und zu dene, die bis spät nachts de Fernseher mit
voller Lautstärke laufe lasse. Des hab i Ihne aber scho zigmol g’sagt.«
    »Ja, ja«, sagte Riesle in gelangweiltem Tonfall und schlängelte sich
jetzt links an der Gartmann vorbei, um ruckartig die Haustür zu öffnen.
Kehrwoche. Meine Güte! Willkommen im 21. Jahrhundert.
    »Herr Riesle, des muss besser werde. Mir sin e a’ständig’s Haus mit
a’ständige Mietern. Und heut zieht en neuer Herr nebe Ihne ei. I möcht nit,
dass do gleich Klage komme.«
    Riesle hatte die gläserne Haustür nun in der Hand und spielte mit
dem Gedanken, sie gegen die Gartmann zu knallen. Das hätte aber alleine schon
deshalb nicht funktioniert, weil die Tür fürchterlich langsam schloss. Und so
sagte er: »Da kann ich Sie beruhigen: Ich habe von Ihnen und diesem Spießerhaus
die Nase voll. Ich ziehe aus!«
    Doch so, wie die Gartmann weiterschimpfte, schien sie ihm gar nicht
zugehört zu haben.

7. VIERZEHNHUNDERT KALORIEN
    »Gemüse-Quark-Knöpfle-Auflauf« hieß Hubertus’ heutiges
Mittagessen – so stand es jedenfalls auf der großen Tafel am Eingang zum
Reharestaurant. Nichts gegen Gemüse und Nudeln. Aber ohne Fleischbeilage
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